IAA in Frankfurt Grüne Tricks der Autohersteller?

Frankfurt (RPO). Wandelt man in diesen Tagen als Besucher durch die Hallen der Internationalen Automobilausstelung in Frankfurt, dominiert nur ein einziges Thema: Umwelt- und Klimaschutz. Doch während sich die Autohersteller einen grünen Anstrich geben, sind die Klimaschützer alarmiert.

Die Stars der IAA 2007
86 Bilder

Die Stars der IAA 2007

86 Bilder
Foto: Hersteller

Allein Mercedes rückt 18 Öko-Modelle ins Rampenlicht der vom 13. bis 23. September stattfindenden Schau. Einen Hybrid-Cayenne stellt Porsche vor, Spritsparmodelle auch Audi, VW oder BMW. Opel präsentiert ein Elektrofahrzeug, dessen Stromerzeugung von einem Hubkolbenmotor übernommen wird. Und auch die ausländischen Anbieter werden in den Chor einstimmen. Zudem gibt es einen sogenannten Umweltpfad. Der führt die Besucher zu Innovationen, die im Zusammenhang mit CO2-Minderung, Kraftstoffeffizienz und neuester Abgastechnik stehen.

Nicht zu Unrecht vermuten Branchenkenner, dass mancher Öko-Slogan sich in der Wirklichkeit als Dissonanz entlarvt. Nick Margetts vom Marktbeobachter Jato Dynamics sagt: "Für viele Unternehmen heißt es erst einmal abwarten und umweltfreundliche Geräusche machen."

Die geballte Technik vernebelt rasch die Tatsache, dass der wichtigste Umweltfaktor immer noch der Gasfuß des Fahrers ist. Maximilian Mauer vom ADAC erläutert: "Bis zu einem Drittel Treibstoff kann man mit umweltbewusstem Tempo einsparen."

Umweltbewusstsein zeigt sich auch beim Kauf eines spritsparenden Modells. Doch gerade diese Entscheidung fällt nicht leicht. Auf dem Papier mutiert so mancher Spritschlucker zum Ökomobil. Zwar müssen Autohändler für Neuwagen jeweils den Verbrauch und CO2-Emission nennen. Umweltschutzverbände kritisieren jedoch einen laxen Umgang mit dem Regelwerk. "Aus Stichproben bei Autohäusern wissen wir, dass die geforderten Angaben an Ausstellungsfahrzeugen vielfach fehlen", sagt Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Selbst wenn die Angaben ausgewiesen werden, scheinen sie vielfach nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden. Die für jedes neue Modell per EU-Norm vorgeschriebenen Tests auf Spritkonsum und CO2-Belastung erfolgen nicht etwa auf der Straße, sondern auf einem Prüfstand. Hans Henning Fanslau von Toyota stellt deshalb klar: "Draußen spielt sich was anderes ab."

Bei den Prüffahrten wird getrickst, was die Auslegung der Vorschriften hergibt. "Autobahnfahrten", kritisiert Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), "tauchen im Grunde gar nicht auf; für sieben Sekunden bewegt sich der Test im Bereich von 120 km/h." Benzinfressende Beschleunigungen im Bereich zwischen 120 und 200 km/h vermisst er ebenfalls, und vor dem Test würden die Fahrzeuge in Klimakammern vorgewärmt, um auch so die Werte zu hübschen.

"Präpariert", glaubt Toyota-Sprecher Fanslau, "werden Fahrzeuge für die Messungen nicht. Das gibt in der Praxis nur Ärger." Muss auch nicht sein, denn die Bandbreite der Möglichkeiten ist anscheinend ohnedies recht groß. Martin Ittershagen vom Umweltbundesamt in Dessau nennt Beispiele: "Vor den entscheidenden Messungen besteht die Möglichkeit, den Luftdruck der Pneus zu erhöhen und die Batterie bis zur Kapazitätsgrenze aufzuladen, was ebenfalls für geringeren Verbrauch sorgt." Auch der Verzicht auf eine Klimaanlage senkt den Wert. "Szenenschnack" kennt sogar den Austausch von Kugellagern, um den Reibungswiderstand zu senken. Gemunkelt werde selbst von Eingriffen in Motor- und Getriebeelektronik, "um sie verbrauchsmindernd zu steuern", weiß Resch.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) weist alle Vorwürfe von sich: Dr. Thomas Schlick, VDA-Geschäftsführer, sprach von dem "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ), den der europäische Gesetzgeber zur Verbrauchsmessung als gemeinsames Verfahren vorgeschrieben habe.

Der NEFZ habe nicht das Ziel, alle realen Fahrzustände abzubilden, sondern solle einerseits Daten für einen durchschnittlichen Verbrauch ermitteln, andererseits aber auch das Schadstoffverhalten der Fahrzeuge erfassen. Dr. Schlick: "Der NEFZ-Zyklus ist also aus verschiedenen Anforderungen heraus definiert und bildet genau diese in einem Messverfahren ab."

Daher sei es keineswegs überraschend, dass es je nach individuellem Fahrverhalten im Alltag auch zu Abweichungen von den NEFZ-Werten nach oben kommen könne. Ebenso sei es aber beispielsweise mit modernen Diesel-Pkw durchaus auch möglich, die NEFZ-Werte zu unterbieten.

Gleichwohl sieht Umweltschützer Lottsiepen einen gewissen Sinn im trickreichen Tun der PS-Branche: "Da das wohl alle Hersteller machen, kann man davon ausgehen, dass keiner benachteiligt wird." In Frankreich oder den Niederlanden beispielsweise werden genauere und umfassendere Informationen hinter die Windschutzscheiben der Neuwagen geheftet. Es geht also auch mit den bestehenden Regeln, doch Fachleute sind sich einig, am besten wären Testbedingungen, die dem realen Betrieb möglichst nahe kommen. Entsprechende Vorschläge schlummern in Brüssel bei der EU. Doch ob sie umgesetzt werden, ist fraglich, allen Öko-Beteuerungen der Autohersteller und ihrer schicken IAA-Kreationen zum Trotz.

(gms)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort