Hintergrund Fußgängerschutz ist oft eine Kostenfrage

Jedes Jahr sterben mehr als 500 Passanten im Straßenverkehr. Neue Sicherheitssysteme könnten das ändern. Doch die sind der Autoindustrie oft zu teuer.

Während Pkw-Insassen durch verstärkte Rahmen, Gurtstraffer und Airbags immer sicherer unterwegs sind, haben Fußgänger keinen zusätzlichen Schutz. 524 von ihnen kamen in Deutschland im vergangenen Jahr ums Leben. Das sind zwar deutlich weniger als zehn Jahre zuvor (838 Tote), aber immer noch ein erschreckend hoher Wert. Mit einem innerstädtischen Tempolimit von 30 km/h könnte die Zahl der Toten womöglich reduziert werden. Doch ein solches Gesetz, wie es der Fußgänger-Verband "Fuss" seit Jahren fordert, hat in Deutschland keine Chance. Auch die Jagd auf Falschparker - ohne die einige Unfälle an unübersichtlichen Ecken vermieden werden könnten - kommt nicht recht in die Gänge. Eine Petition für härtere Strafen haben nur 8000 Personen unterzeichnet.

Andererseits weiß auch die Autoindustrie, dass stählerne Rammböcke schlecht fürs Image sind, zumal Crashtests wie der Euro NCAP die Kriterien für den Fußgängerschutz allmählich verschärfen. Wie gut aktuelle Assistenzsysteme sind, wird etwa bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) in Bergisch-Gladbach getestet. Die Prüfer simulieren in der Versuchsanlage allerlei Alltags-Szenarien. Zum Beispiel ein Kind - dargestellt durch einen ein Meter großen Dummy -, das ohne Vorwarnung zwischen Autos hervortritt und auf die Straße läuft. "Die Notbremsassistenten werden immer besser", berichtet ein Bast-Mitarbeiter, der sich mit den Tests auskennt. Bei einer Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h sei es daher heute schon möglich, rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Und bei schnellerem Tempo? "Hat bis jetzt jedes Auto den Dummy umgefahren."

Wenn Zusammenstöße schon unvermeidbar sind, so lassen sie sich wenigstens abmildern. Dass es mit weichen Stoßstangen oder wegklappenden Mercedes-Sternen nicht getan ist, führte Volvo der Öffentlichkeit vor drei Jahren vor. Damals präsentierte der schwedische Autohersteller den ersten Fußgänger-Airbag, der seither im Volvo V40 verbaut wird. Bei einer Kollision entfaltet sich der Luftsack und verhindert dadurch, dass eine Person mit voller Wucht gegen die Frontscheibe prallt.

Bisher lassen sich viele Hersteller ihre Sicherheitssysteme extra bezahlen. Dass die Kunden bei Notbremsassistenten mit Fußgänger-Erkennung nicht Schlange stehen, überrascht deshalb kaum.

So manche Innovation schlummert in der Schublade, weil ihre Umsetzung aus Sicht der Autoindustrie schlicht zu teuer wäre. So haben Studenten der TU Berlin einen Fußgänger-Airbag entwickelt, der beim sogenannten Sekundäraufprall zum Einsatz kommt. Er funktioniert so: Nachdem ein Unfallopfer gegen die Motorhaube geprallt ist, wird es zurückgeschleudert und schlägt auf dem harten Asphalt auf. Der neue Fußgänger-Airbag würde genau das verhindern, indem er blitzschnell unter der Stoßstange hervorschießt - wie eine Turnmatte. "Wir haben unsere Idee schon mehreren Herstellern vorgetragen", sagt Fahrzeugtechnik-Student Stellan Teply. "Die Antwort war immer dieselbe - zu teuer." Zwischen 80 und 90 Euro, schätzt Teply, würde der Airbag pro Fahrzeug kosten. "In der Industrie kalkuliert man aber mit Cent-Beträgen."

Scheitert ein besserer Fußgängerschutz also am Geiz der Autokonzerne? André Seeck, Präsident des Euro-NCAP-Crashtests, widerspricht. "Man muss bedenken, dass solche Entwicklungen enorme Summen kosten", sagt er. "Da ist es verständlich, dass die Hersteller einen Aufpreis verlangen." Trotzdem, beteuert Seeck, habe sich der Fußgängerschutz in den vergangenen Jahren stetig verbessert - nicht zuletzt durch strengere Crashtest-Kriterien. So wird ab 2016 die Fußgänger-Erkennung bei Notbremsassistenten erstmals mitbewertet. Ab 2018 kommt noch ein weiteres Szenario hinzu. Dann müssen Fußgänger auch bei schlechter Sicht erkannt werden - sonst gibt's Punktabzug.

(RP)
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