Nicht perfekt, aber alltagstauglich Der Toyota Auris im Test

Köln · Im Rest der Welt ist der Corolla, der Auris-Bruder, ein Verkaufsschlager. Nur in Deutschland ist die Konkurrenz des Golf übermächtig. Im Test zeigte sich der Auris nicht perfekt, aber sehr alltagstauglich.

Der Toyota Auris im Test
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Unter einer harten Schale sitzt manchmal ein weicher Kern. So zum Beispiel beim neuen Toyota Auris. Auf den ersten Blick sieht er im neuen Blechkleid aus wie ein Draufgänger. Sieht man aber genauer hin, ist er mehr zuverlässiger Alltags-Allrounder als ein austrainierter Adonis. Ob sich der Golf als Platzhirsch der Kompaktklasse vor der schnittigen Neuauflage der japanischen Konkurrenz wirklich fürchten muss?

Die Auris-Designer hatten Spaß bei der Arbeit, das merkt man dem Auto an. Streift der Blick an den scharf gezeichneten Kanten entlang, sieht man ihre Stifte förmlich übers Papier flitzen. Flachere Silhouette, schmaler Kühlergrill, neu gezeichnete Scheinwerfer vorn, horizontale Rücklichter hinten — unverkennbar. Aus dem knuffigen, pummeligen Kompakten ist optisch ein erwachsenes Auto geworden. Zwar hat er nur drei Zentimeter in der Länge zugelegt, hat aber dank verschiedener Faktoren innen mehr Platz als sein Vorgänger. Den Fond kann man guten Gewissens auch zwei Erwachsenen für einen Trip offerieren. Bei 360 Liter Zuladung passen in das Gepäckabteil zwei größere Reisetaschen gut hinein, damit muss er sich in seiner Klasse nicht verstecken (Golf: 380 Liter, Kia Ceed: 380 Liter, Ford Focus 363 Liter). Dank des doppelten Bodens im Kofferraum lassen sich im Alltag auch schwere Wasserkisten rückenfreundlich über die Ladekante wuchten. Bis hinter die Rücksitze beladen passen 1200 Liter.

Gern und viel Plastik

Nachdem sich die Designer mit dem neuen Blechkleid des Auris so viel Mühe gegeben haben, scheint es fast, als hätten sie vergessen, dass auch im Innenraum Arbeit wartet. Denn der ist eher ein bisschen retro. Aber im Sinne von altbacken. Dass die Japaner gern und viel Plastik verwenden ist bekannt. Dass es aber gleich auf engstem Raum in rau und glatt und glänzend und matt verarbeitet sein muss? Bisher war uns nicht bewusst, dass es so viele völlig unterschiedliche Schwarztöne gibt. Schade, denn das der gute Wille da war, zeigen die chromfarbenen Applikationen und das optionale Leder-Armaturenbrett. Aber gegen den feinen Frackträger Golf wirkt der Auris in dieser Disziplin wie der Jungspund mit schief geknöpftem Hemd.

Nicht nur zum Aussehen, sondern auch zur Verbesserung der Fahreigenschaften trägt die Tieferlegung von 5,5 Zentimetern bei. Der Schwerpunkt verschiebt sich dadurch in Richtung sportlich, ein echter Eckenflitzer ist der Auris allerdings nicht, eher ein komfortabler Strecken-Begleiter. Dazu passt, dass die elektrische Servolenkung eher geschmeidige statt drahtige Rückmeldung gibt. Mehr Fahrwerk-Funktionalität benötigen die Motoren allerdings auch nicht. Zwei Benziner und zwei Diesel zwischen 66 kW/ 90 PS und 97 kW/132 PS sowie ein Hybrid-Antrieb mit 100 kW/136 PS stehen zur Wahl. Die Kombination aus E-Motor und Verbrenner kommt auf einen Normverbrauch von 3,8 Liter auf 100 Kilometern.

Zu Lasten des Spritverbrauchs

Unseren Testwagen trieb der Top-Verbrenner an, der mit Sechs-Gang-Schaltgetriebe oder Automatik erhältlich ist. Zugegeben: Mit 97 kW/132 PS als Top-Aggregat ist der Auris nicht gerade aufregend motorisiert — aber für alle Situationen gewappnet. Dreht man ihn hoch, zieht er ab. Das geht allerdings zu Lasten des Spritverbrauchs, den normierten Durchschnittswert von 5,9 Liter auf 100 Kilometern konnte er so nicht halten. Im Test - vor allem im Stadtverkehr und auf der Autobahn - waren es aber noch ordentliche sieben Liter.

Ab 15.950 Euro ist der Toyota zu haben, damit ist er rund 1000 Euro günstiger als Kompaktklassen-Chef Golf. Der hat VW-üblich kaum Komfort-Ausstattung serienmäßig an Bord. Beim kompakten Japaner ist in der Basisausstattung zum Beispiel LED-Tagfahrlicht oder Berganfahrhilfe dabei, Klima und Audiosystem gibt es für die 2000 Euro teurere Variante "Cool". Wir fuhren im Test den Auris 1.6 Start Edition, eine Sonder-Ausstattungslinie zur Markteinführung, die jetzt noch beim Toyota-Händler erhältlich ist. Für 20.750 Euro sind zum Beispiel Lederlenkrad, Sitzheizung und eine Einpark-Automatik inklusive. Sie zirkelt den Kompakten in eine Lücke, die 90 Zentimeter länger ist als er selbst. Das Bildschirm-Navi für den relativ moderaten Aufpreis von 550 Euro ist nur bedingt zu empfehlen. Es navigiert zwar genau und schlägt sogar besonders umweltfreundliche Routen vor. Seine Daten bezieht es allerdings aus dem TMC-System, das den Stau im Test erst dann meldete, wenn ein Blick aus dem Fenster dieselbe Erkenntnis brachte.

Der Auris beweist sich als Auto für jede Gelegenheit. Wer ihn kauft, hat ein bisschen von allem: sportlichen Auftritt, Transportqualitäten, Komfort, Wendigkeit, ansprechende Preise. Aber wie es so ist mit den Allround-Talenten — sie können irgendwie alles, aber eben nicht alles perfekt.

(SP-X/sgo/csr)
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