Fahrbericht Der tolle Käfer ist zurück

Düsseldorf · Retro-Autos sind in. VW hat jetzt den Beetle neu aufgelegt. Optisch knüpft das Modell wieder stärker an den Ur-Krabbler aus Wolfsburg an - und weckt Erinnerungen an alte Zeiten.

 Gute Zeiten Klara Fromme im Jahr 1958 stolz neben ihrem Käfer. Damals gab es noch „Winker“ statt Blinker.

Gute Zeiten Klara Fromme im Jahr 1958 stolz neben ihrem Käfer. Damals gab es noch „Winker“ statt Blinker.

Foto: Voogt, Gerhard

Tante Klärchen hält sich erstaunt die Hand vor den Mund. "Ein Käfer", ruft die 93-Jährige und lächelt. Ja, wenn Tante Klärchen das glaubt, dann hat VW schon viel richtig gemacht. Der "21st Century Beetle", der bei ihr vor der Haustür in Remscheid parkt, soll schließlich trotz seiner modernen Optik als Enkel des Ur-Krabblers erkennbar sein. Der knallrote Wagen weckt positive Erinnerungen. "Mein erster Käfer hatte das Kennzeichen W - MD 97", sagt Tante Klärchen. "MD - das stand für 'My Darling'", fügt sie hinzu.

 Wiedersehen Klara Fromme ist jahrzehntelang VW gefahren. Jetzt traf die 93-Jährige den Enkel des Käfers wieder.

Wiedersehen Klara Fromme ist jahrzehntelang VW gefahren. Jetzt traf die 93-Jährige den Enkel des Käfers wieder.

Foto: Voogt, Gerhard

Manche Dinge vergisst man eben nie. Ein Foto aus dem Familienalbum, das die stolze Besitzerin mit ihrem Liebsten zeigt, stammt von 1958. Auf dem Bild wirkt der Wagen deutlich kleiner als die Tante. Nun, 54 Jahre später, hat sich das geändert. Der Käfer, einst das Einsteigermodell für Leute mit schmalem Budget, ist als sattes Lifestyle-Auto zurückgekehrt. "It's a boy!", steht auf den Werbepostern, die VW zur Markteinführung in Amerika kleben ließ. Mit maskulineren Zügen will man jetzt mehr männliche Kunden ansprechen. Bislang sind 60 Prozent aller Beetle-Fahrer weiblich.

Blumenvase aus dem Cockpit verbannt

Tante Klärchen nimmt gemächlich auf dem Fahrersitz platz. Der große Tacho, das Käfer-Handschuhfach und die Halteschlaufen für die Mitfahrer auf der Rückbank erinnern sie an alte Zeiten, als sie als Sozialbetreuerin der Post durchs Bergische Land kurvte. Mehr aber auch nicht. Verspielte Details oder Retro-Gimmicks sucht man (vom angedeuteten Trittbrett an den Türen mal abgesehen) vergebens. Auch die Blumenvase, die zur Serienausstattung des Vorgängers gehörte, wurde aus dem Cockpit verbannt. Leider ist das Armaturenbrett, das jetzt wieder eine normale Tiefe hat, in hartes Plastik gekleidet. Das wirkt lieblos. Tante Klärchen zuckt mit den Schultern.

Wir lassen den Motor an. Tante Klärchen erinnert sich an die Urlaubsfahrten mit unserer Oma. "Im Berchtesgadener Land sind wir nur mit Ach und Krach die Berge hochgekommen", sagt die Käfer-Expertin. Der schnatternde Boxermotor im Heck von "My Darling" brachte gerade mal 30 PS.

Jetzt wurde der Spargeltarzan zum Bodybuilder aufgepumpt, der erst bei Tempo 223 elektronisch abgeregelt wird. Unter der Haube wummert der turbogeladene 2,0-Liter Vierzylinder aus dem Golf GTI, der im Beetle 200 PS leistet. Würde die Tante noch selbst fahren, fände sie solche Muskelberge aber wohl übertrieben.

Die Verwandlung zum Sportler ist auch beim 2.0 TSI von außen kaum zu erkennen. Die Dachlinie entspricht fast der des Ur-Buckels. Die Kullerscheinwerfer (mit LED-Tagfahrlichtern) und der Lüftungsschlund in der Frontschürze lassen den Beetle freundlich lächeln. Vielleicht etwas zu nett: Die meisten BMW-Fahrer werden diesen Wagen auf der Autobahn wahrscheinlich nie vorbeilassen. Und der Heckspoiler hält selbst Lieferwagen nicht davon ab, dicht aufzufahren und frech den Blinker links zu setzen.

Präzise Lenkung

Na gut, die ungewöhnlichen Fähigkeiten von Herby, dem tollen Käfer auf der Kinoleinwand, hat auch nicht jeder auf Anhieb erkannt. Unter dem Beetle-Blechkleid steckt das Beste, was ein Golf zu bieten hat. Die Lenkung ist präzise abgestimmt. Die Spur ist im Vergleich zum Vorgänger um 84 Millimeter breiter geworden, auf den 19-Zoll-Rädern zieht der Beetle extrem sicher durch die Kurven. Der Benziner mit dem sechsstufigen Doppelkupplungsgetriebe (kann in den Einstellungen Drive "D" und Sport "S" gefahren werden) verbraucht zwischen 7,5 und 9 Liter. Das ist bei der Motorisierung nicht zu viel. Und während im Käfer von Tante Klärchen kaum Platz für ein paar Gepäckstücke war, stehen jetzt 310 Liter Stauraum zur Verfügung.

Der "21st Century Beetle" löst jetzt den "New Beetle" ab, der seit 1998 in Mexiko gebaut wurde. Bis 2011 wurden weltweit rund eine Million Fahrzeuge von dem Modell verkauft, die meisten Fans hatte der New Beetle dabei in den Vereinigten Staaten und in China.

In Deutschland soll das neue Modell jetzt als sportliches Lifestyle-Mobil punkten. Bislang kauften viele Fans den Retro-Käfer, weil ihnen ein normaler Golf schlicht zu langweilig ist. "Mein Beetle und ich, wir sind ziemlich beste Freunde", sagt VW-Fahrerin Bettina Minkus. Wie Tante Klärchen und ihr "Darling". Manche Dinge ändern sich eben nie.

(anch)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort