Innen lieblos, Außen geschmacklos Der neue Jeep Cherokee — ein Indianer auf Abwegen

Los Angeles/Kalifornien · Die Technik aus Italien, die Marke aus Amerika und das Design nicht von dieser Welt: Nach jahrelanger Pause macht sich der Jeep Cherokee bereit für sein Comeback in Europa. Im Sommer geht es los.

Der neue Jeep Cherokee im Check
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Was war das für ein Aufschrei, als Jeep im letzten Frühjahr das Tuch vom neuen Cherokee gezogen hat! Die sieben senkrechten Balken im Kühlergrill, die jeden Jeep seit 1941 kennzeichnen, die konnte man mit viel Phantasie zwar noch wiedererkennen. Doch das war auch der einzige Halt, den der Geländewagen den Fans der Marke bot. Denn ansonsten sah das, was da mit Schlitzaugen, Hakennase und Pummelhintern über die Bühne der New York Motorshow rollte, aus wie ein Fiat Multipla fürs Grobe. Aber das ist offenbar kein Wunder. Nach der Übernahme durch Fiat entstanden und auf der Plattform des Alfa Giulietta aufgebaut, gehört der Cherokee schließlich zu den ersten US-Modellen, die "Italy Inside" haben.

Wer gehofft hatte, dass Jeep an diesem Design bis zur Markteinführung noch mal ein bisschen feilen würde, der sieht sich jetzt getäuscht. Denn auch wenn sich die Amerikaner ein volles Jahr Zeit gelassen haben und der Cherokee bei uns erst im Juni in den Handel kommt, rollt er genau so aus der Fabrik, wie man ihn in New York gesehen hat. Was da demnächst auf den Überseefrachtern nach Europa landet und bei uns zu Schätzpreisen ab etwa 36.000 Euro in den Handel kommt, hat deshalb gemeinsam mit Ssangyong Rodius, Pontiac Atzec und eben dem Fiat Multipla auch weiterhin das Zeug zum hässlichsten Auto der Welt. Dabei hätte der Cherokee durchaus etwas Besseres verdient. Schließlich wird er von ein paar Jahren Pause abgesehen seit mittlerweile 1974 angeboten und genießt in der 4x4-Gemeinde einen ähnlich guten Ruf wie der Land Rover Discovery oder die Mercedes G-Klasse.

Aufwändige Allrad-Technik

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Den will freilich auch das neue Modell verteidigen und glänzt deshalb mit aufwändiger Allradtechnik. Die Plattform kommt zwar von einem Pkw und zum ersten Mal wird es mit Blick auf den Verbrauch deshalb in nennenswertem Umfang auch frontgetriebene Exemplare geben. Zusammen mit einem neuen Vierzylinder-Benziner geht so schließlich der Verbrauch um bis zu 45 Prozent zurück. Doch parallel dazu bieten die Amerikaner gleich drei verschiedene Varianten mit Allradantrieb an, von denen die potenteste allerlei Sperren, Offroad-Programme und sogar einen Geländetempomaten für Gefälle und Steigungen bekommt: "Trailhawk" heißt der rustikale Wanderfalke, der als Topmodell mit V6-Motor wohl um die 50.000 Euro kosten wird und dafür angeblich mühelos über den legendären Rubicon-Trail kraxeln soll.

Während die Designer außen offenbar um jeden Preis auffallen wollten und dabei meilenweit über das Ziel hinaus geschossen sind, hätten sie innen gerne noch ein bisschen mehr Engagement zeigen dürfen. Ja, es gibt viele Ablagen, eine verschiebbare Rückbank und ein sehr ordentliches Navi mit Appstore und integriertem Hotspot. Doch das eher lieblose Ambiente wird von riesigen Hartplastik-Landschaften geprägt und die paar Vinylholzimitate in den Türen wirken ziemlich billig. Außerdem sind die Platzverhältnisse allenfalls durchschnittlich und an der hohen Ladekante zum eher knapp bemessenen Kofferraum wird man zum Bodybuilder. Da ist die elektrische Heckklappe nur ein schwacher Trost.

Dafür gibt es jede Menge Hightech-Ausstattung, die zumindest für Jeep teilweise neu ist: Der Cherokee hat einen Abstandsregeltempomat und eine automatische Notbremse, er hilft mit aktivem Lenkeingriff bei Spurführung und —wechsel und rangiert selbstständig in Parklücken längs und quer zur Straße.

V6-Motor schrumpft

Auch unter der Haube brechen bei den Amerikanern neue Zeiten an. Dass es für die EU-Version zwei Diesel mit 2,0 Litern Hubraum und 140 oder 170 PS geben wird, ist nicht wirklich revolutionär. Und auch der neue Basis-Benziner mit 2,4 Litern Hubraum und 135 kW/184 PS ist keine Überraschung. Aber dass sogar der V6-Motor schrumpft, ist schon ein starkes Stück. Von früher mal 4,0 und zuletzt 3,6 Litern sind jetzt noch 3,2 Liter übrig. So ganz ernst meinen die Amerikaner die Sache mit der Effizienz allerdings nicht: Es gibt weder eine Start-Stopp-Automatik noch eine Direkteinspritzung, so dass sich der V6 im US-Zyklus stolze 10,7 Liter gönnt.

Aus den 3,2 Litern holt der Sechszylinder immerhin 200 kW/271 PS und maximal 316 Nm, mit denen der Cherokee behände ausschreitet. Vor allem im mittleren Drehzahlbereich macht der Sechszylinder ordentlich Druck und sprintet so in 6,4 Sekunden von 0 auf 100. Er schnurrt beim Überholen mühelos am Vordermann vorbei und macht nach ein paar Stunden im Stadtverkehr und auf den Highways um Los Angeles Lust auf den ersten Ritt über die Autobahn. Schließlich soll er immerhin 220 km/h erreichen. Außerdem sind dann vielleicht auch die Querfugen ein bisschen dünner, so dass die Achsen beim Anfedern nicht ganz so poltern.

Egal welchen Motor man bestellt, immer gibt es dazu die neue Neungang-Automatik von ZF, die ebenfalls dem Indianer seine Lust auf Feuerwasser weiter zügeln soll. Das kann schon stimmen und beim gemütlichen Cruisen überzeugt das Getriebe zudem mit seidenweichen Gangwechseln. Doch wenn es schnell herunterschalten soll, dann wirkt das Räderwerk bisweilen ein bisschen indisponiert und verhaspelt sich. Aber anders als das Design lässt sich das auf dem Weg nach Europa ja vielleicht noch korrigieren. Viel mehr als ein Software-Update ist dafür nicht nötig.

(SP-X)
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