Billiger geht's nicht

Der Lada Granta kostet ab 6750 Euro. Damit hat er den Dacia Sandero als günstigstes Auto in Deutschland abgelöst.

Entschuldigung, aber Liebe auf den ersten Blick ist das nicht. Auch nicht auf den zweiten. Der Lada Granta ist das Gegenteil von sexy: Die Limousine erinnert an die Zeit, als man auf der Hutablage noch Häkel-Hütchen für Klopapierrollen kutschieren fuhr. Das Design ist retro. Auch farblich ist der Fünftürer in die Jahre gekommen: Porto, Weiß, Riesling, Pantera und Dunkelblaumetallic. Einzig die wuchtige Kofferraumklappe lässt den Betrachter einen Moment stutzen: Sieht so nicht der Renault Thalia aus, eine Stufenheckvariante des Clio, die für den osteuropäischen Markt gebaut wird? Kein Wunder, seit 2012 hält der Renault-Nissan-Konzern eine knappe Dreiviertel-Mehrheit an dem Lada-Hersteller Avtovas und pumpte im Gegenzug über eine halbe Milliarde Euro in die Produktion.

Im Innenraum des Granta geht Funktion vor Schönheit: Das Cockpit ist schlicht, aufgeräumt, also fast schon wieder modern. Die Armaturen sind aus glänzend-klobigem Hartplastik. Sorry, aber einen Schönheitspreis wird der Granta wohl nicht gewinnen. Lada selbst spricht von einem "Individualisten". Passender wäre: ein Auto für Nostalgiker und Puristen. Noch besser: ein Transportmittel, das nicht viel kostet. Und billiger als der Granta geht es wirklich nicht: 6750 Euro kostet er in der Basisausstattung, bestellbar über einen der 290 Lada-Händler in Deutschland. Damit ist er der zurzeit günstigste Wagen, den es in Deutschland zu kaufen gibt. Bis vor kurzem war dieses Attribut noch der rumänischen Renault-Tochter Dacia vorbehalten. Der Kompaktwagen Sandero startet bei 6890 Euro. Macht eine Differenz von 140 Euro oder, anders ausgedrückt, zwei Tankfüllungen. Aber reicht das, um in Deutschland Erfolg zu haben?

Am besten verkauft sich der Granta bisher dort, wo er produziert wird: in Russland. Seit den 70er Jahren befindet sich das Riesenland im Osten fest in Lada-Hand. "Wer einen Lada aus Russland fährt, weiß, was er hat", wirbt der Hersteller. "Ein Auto, Millionen Mal getestet - in Tundra und Taiga und in allen Klimazonen der Welt." Und: "Ein Lada liebt alle Straßen, ist besonders stabil und wird auch im Crashtest nicht labil." Und die Russen lieben den Granta. Im vergangenen Jahr wurden über 152.000 Fahrzeuge des Typs verkauft. Damit ist er das beliebteste Auto in ganz Russland. In Deutschland ist das Modell dagegen so gut wie unbekannt und das aus gutem Grund: Die russische Version erfüllte lediglich die Abgasnorm 4. In der EU ist jedoch die Abgasnorm 5 verpflichtend. Der nun für den europäischen Markt produzierte Granta schafft sogar die Abgasnorm 6. Ob sich der Aufwand gelohnt hat, wird sich zeigen.

Bislang ist die 4,26 Meter lange Stufenhecklimousine nur in einer Ausstattungsvariante lieferbar - Servolenkung, ESP und zwei Airbags inklusive. Andere elektronische Helferlein sind nicht vorgesehen. Optional können ein CD-Radio (200 Euro), Zentralverriegelung (195 Euro) und Leichtmetallfelgen (200 Euro) hinzugekauft werden. Eine Autogasanlage ist für 2350 Euro erhältlich. Ab November soll es den Granta dann als Schrägheck mit Automatikgetriebe, 16 Ventilen, Klimaanlage und integriertem Navigationssystem (zunächst nur mit englischer und russischer Sprachführung) geben. Preise werden noch bekannt gegeben.

Wie er sich fährt? Nun ja, besser als erwartet. Der 1,6-Liter-Benziner (87 PS) startet lautstark, brummt dann aber gemütlich vor sich hin und zieht in allen Gängen flott durch. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 168 Stundenkilometern. Der Testverbrauch lag bei 6,9 Liter auf 100 Kilometern. Die Lenkung ist butterweich und die Bremsen schwerfällig. Dafür genießen alle Passagiere Kopffreiheit. Der Kofferraum ist mit 480 Litern Fassungsvermögen fast so groß wie beim Mercedes-Maybach (500 Liter).

Kurzum: Wer einen Neuwagen für weit unter 10.000 Euro sucht und keinen Wert auf Bordcomputer, Sitzheizung und anderen zeitgemäßen Komfort legt, dem wird eine echte Alternative im Billig-Segment geboten. Es muss ja keine Liebe werden. Eine Vernunft-Ehe tut's auch.

(RP)
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