Winterreifenpflicht Was in Sachen Winterreifen wirklich vorgeschrieben ist

Warum schreibt der Gesetzgeber Winterreifen nicht ausdrücklich vor? Warum müssen Winterreifen nicht schmal sein? Wir räumen auf mit Winterreifenpflicht-Mythen.

Winterreifen - was ist erlaubt? Experten beantworten wichtige Fragen
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Experten-Antworten auf zwölf Winterreifen-Fragen

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Foto: ADAC

Sind Winterreifen doch keine Pflicht? Der Gesetzgeber gibt weder ein Datum vor, wann Reifen gewechselt werden müssen, noch spricht er ausdrücklich von Winterreifen. Die Straßenverkehrsordnung (StVo) sieht vielmehr vor, dass die Fahrt bei winterlichen Verhältnissen nur mit tauglichen Reifen erlaubt ist. Das bedeutet im Klartext: Wenn die Straßen glatt sind, es schneit oder Schneematsch auf der Fahrbahn liegt, dürfen Sie nicht mehr mit den Sommerreifen fahren. Diese Reifen sind den winterlichen Verhältnissen nicht gewachsen. Sofern die Straßen frei sind, können Sie aber auch im Dezember mit Sommerreifen ohne Angst vor Bußgeldern fahren.

Trotzdem: Wenn es kalt wird, sollten die Winterreifen drauf. Alleine schon zu Ihrer Sicherheit und aus versicherungstechnischen Gründen. Um auf den "plötzlichen Wintereinbruch" vorbereitet zu sein, kaufen und wechseln Sie lieber rechtzeitig die Winterreifen. Als ganz grobe Orientierungshilfe, wann Sie die Reifen wechseln sollten, gilt der Zeitraum von Oktober bis Ostern. In diesem Zeitraum wird es kälter und es kommt zu großen Temperaturschwankungen.

Wann sollte man den Termin zum Reifenwechsel vereinbaren?

Anders als in Finnland oder Tschechien ist es in Deutschland nicht vorgeschrieben, die Reifen bis zu einem bestimmten Termin zu wechseln. Fällt der Winter mild aus, ist es vielleicht gar nicht nötig die Reifen zu wechseln. Im Gegenteil: Wird es im Oktober und November noch einmal richtig warm, kann der schnelle Wechsel zu den Winterreifen eher nachteilig sein. Winterreifen nutzen sich bei Wärme schneller ab und die auf kalte Temperaturen ausgerichteten Reifen benötigen weitere Bremswege. Erst wenn die Temperaturen dauerhaft unter sieben Grad liegen, sollten Sie die Reifen wechseln.

Warum können Winterreifen auch im Juli Pflicht sein?

Ab Temperaturen unter sieben Grad bieten Winterreifen einen besseren Grip. Das Gummi der Reifen besteht aus einem höheren Kautschukanteil und ist somit elastischer. Kalte Temperaturen treten zwar meist im Winter auf, aber wer im Juli von Schnee und Eis überrascht wird, der muss sich schnell eine Lösung einfallen lassen. Wahrscheinlich ist das zwar nicht, außer Sie fahren auf die Zugspitze. Aber es ist zumindest möglich, dass die Winterreifenpflicht greift, weil diese nicht an die Wintermonate, sondern nur an winterliche Verhältnisse gebunden ist.

Sind 1,6 mm Profiltiefe bei Winterreifen zu wenig?

Erlaubt ist die Verwendung von Reifen mit einer Mindestprofiltiefe von 1,6 mm. Also müssen Sie sich bei 2 mm Profiltiefe noch keinerlei Gedanken um Bußgelder machen - dafür aber um Ihre Sicherheit. Der ADAC empfiehlt, Sommerreifen schon ab einer Profiltiefe von 3 mm zu wechseln, Winterreifen sogar schon bei 4 mm Profiltiefe. Denn ab dieser Profiltiefe nimmt die Haftung des Reifens, auch Grip genannt, deutlich ab. Damit sinkt auch die Sicherheit. Verfügen die Reifen nicht über genügend Grip, verlieren Sie bei schlechten Wetterverhältnissen wie Regen, Schnee und Eis den Kontakt zur Straße. Im schlimmsten Fall lässt sich das Fahrzeug nicht mehr lenken und bremsen. Warten Sie also nicht, bis die Reifen bis zur gesetzlichen Mindestprofiltiefe abgefahren sind, sondern kaufen Sie schon früher Ersatz.

Müssen Winterreifen zwingend schmal sein?

Schmal oder breit? Die klassischen Winterreifen sind schmal. Angeblich sollen diese gegen Aquaplaning schützen und bei Schnee besser navigierbar sein. Diese landläufige Meinung ist jedoch überholt: Mit der Verwendung neuer Gummimischungen verändern sich auch die Eigenschaften beim Fahren. In verschiedenen Reifentests schnitten die breiteren Modelle mit 17 und 18 Zoll teilweise besser als die schmaleren Modelle ab. Die breitere Reifenfläche mit den typischen Lamellen sorgt dabei für einen besseren Grip. Auch auf trockenen Straßen schneiden breitere Reifen in den Tests besser ab: Sie haben einen deutlich kürzeren Bremsweg. Auf nassen Straßen und in Schneematsch lagen dagegen die schmaleren Winterreifen in den Tests vorne.

Warum sollten Winterreifen eingefahren werden?

Mit neuen Reifen direkt ins Schneegestöber? Das sollten Sie sich noch einmal überlegen. Genau wie neue Schuhe eingelaufen werden sollten, müssen neue Winterreifen eingefahren werden. Warum? Auf neuen Reifen befindet sich noch ein Trennmittel, das abgefahren werden sollte. Die Oberfläche der Gummireifen sollte außerdem beim Fahren zunächst aufgeraut werden, bevor Sie sich in schwierige Straßenverhältnisse wagen.

Experten empfehlen, neu gekaufte Reifen für 200 bis 300 Kilometer bei mittlerer Geschwindigkeit einzufahren. Hohe Geschwindigkeiten, schnelles Anfahren und starke Bremsungen sollten Sie nach Möglichkeit vermeiden. Ist die Oberfläche angeraut, bieten die Reifen den besseren Grip, den Sie bei Eis, Schnee und Matsch benötigen. Durch das Einfahren verbessern Sie außerdem die Lebensdauer der Reifen.

Warum sollte man im Sommer keine Winterreifen fahren?

Winterreifen im Sommer sind laut, lassen sich schlecht fahren und sorgen zudem für einen höheren Kraftstoffverbrauch? Klingt alles nach Gründen, so schnell wie möglich von den Winterreifen zu den Sommerreifen zu wechseln. Diese Gründe sind jedoch mehr Mythos als Wahrheit. Für den höheren Kraftstoffverbrauch im Winter ist eher die Heizung verantwortlich, ein höherer Verbrauch allein durch die Reifen ist kaum messbar. Dass Winterreifen lauter sind, gehört ebenfalls der Vergangenheit an: Bei neueren Modellen kommt es zu keinem nennbaren Unterschied in der Lautstärke und auch beim Fahrkomfort sollten keine Unterschiede zu spüren sein.

Trotzdem: Ab April können und sollten Sie auf die Winterreifen verzichten, denn Winterreifen sind für die Verwendung bei kalten Temperaturen gedacht. Der höhere Kautschukanteil in der Gummischicht macht die Reifen elastischer und weicher, damit sie bei frostigem Boden mehr Haftung aufbauen können. Bei warmen Temperaturen bewirken Sie das Gegenteil: Das Profil wird instabil. Die Reifen nutzen sich schneller ab und schon nach kurzer Zeit müssen Sie neue Reifen kaufen. Die Sicherheit wird ebenfalls beeinträchtigt: Auf trockenen Straßen haben Winterreifen einen deutlich längeren Bremsweg — um bis zu 16 Meter verlängert sich der Bremsweg bei einem Tempo von 100 Kilometern pro Stunde.

Wo ist die Winterreifenpflicht geregelt?

Die Winterreifenpflicht findet sich in der Straßenverkehrsordnung (StVo). Zum 1. Juni 2017 fand eine Neuregelung in Bezug auf die Anforderungen an Winterreifen für Pkws statt. Neu ist der Verweis auf den § 36 Abs. 4 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO):

"Reifen für winterliche Wetterverhältnisse sind Luftreifen im Sinne des Absatzes 2

Das bedeutet, dass bei winterlichen Verhältnissen wie Schnee, Eis und Schneematsch auf der Fahrbahn nur solche Reifen verwendet werden dürfen, die mit dem Alpine-Symbol ausgestattet sind und über die Mindestprofiltiefe verfügen. Vor der Neuregelung waren Reifen mit der Bezeichnung M+S ausreichend.

Da diese Änderung erst kürzlich beschlossen wurde, sieht der Gesetzgeber eine Übergangszeit vor, um Reifenhersteller, Reifenhändler und Verbraucher vor finanziellen Verlusten zu schützen. Reifen mit der Kennzeichnung M+S, die bis zum 31. Dezember 2017 produziert werden, dürfen noch bis zum 30. September 2024 gefahren werden — auch bei winterlichen Verhältnissen.

Schneeketten sind keine Pflicht und nur bei bestimmter Beschilderung erlaubt. Für die Fahrt in die Berge sollten Sie jedoch Schneeketten mitnehmen. Im Ausland werden Schneeketten auf bestimmten Straßen sogar vorgeschrieben.

Wann beginnt die Winterreifenpflicht?

In Finnland müssen alle Pkws vom 1. Dezember bis zum 28. Februar mit wintertauglichen Reifen ausgestattet sein. In Litauen reicht die Winterreifenpflicht vom 10. November bis zum 1. April. In Deutschland gibt es kein bestimmtes Datum, das Winterreifen vorschreibt. Wichtiger sind die Wetterverhältnisse. Bei winterlichen Verhältnissen, also Schnee, Glätte und Schneematsch, sind Winterreifen Pflicht. Parken Sie Ihr Auto mit Sommerreifen im Schneegestöber, drohen keine Bußgelder. Nur wenn Sie das Auto auch tatsächlich fahren, können Sie bei einer Kontrolle zur Kasse gebeten werden.

Wann endet die Winterreifenpflicht in Deutschland?

Experten empfehlen, die Winterreifen zwischen Oktober und Ostern am Fahrzeug zu lassen. Weichen Sie bei winterlichen Verhältnissen auf öffentliche Verkehrsmittel aus oder leben Sie in einer Schneearmen Region wie dem Rheinland, können Sie auch ganzjährig bei den Sommerreifen bleiben. Verboten ist es ja nicht, ein Kfz mit Sommerreifen im Schnee zu parken.

Fahren Sie jedoch bei Schnee und Eis, verstoßen Sie nicht nur gegen die Straßenverkehrsordnung (StVo), Sie gefährden auch sich und andere. Rüsten Sie also vor dem vermeintlichen Wintereinbruch rechtzeitig um oder lassen Sie das Auto notfalls in der Garage stehen.

Wer haftet bei Winterreifenpflicht?

Können oder möchten Sie das Auto bei winterlichen Verhältnissen nicht stehen lassen, kann Sie das viel mehr Kosten als nur 60 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg: Im schlimmsten Fall geht es um Ihre Sicherheit und die Frage nach der Haftung, wenn doch einmal etwas passieren sollte.

Wer bei winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen einen Unfall verursacht, bekommt große Schwierigkeiten. Die Kaskoversicherung kann aufgrund von grober Fahrlässigkeit — und als solcher wird das Fahren mit Sommerreifen bei winterlichen Verhältnissen gewertet — einen Teil des Versicherungsschutzes verweigern. Die Haftung liegt dabei immer beim Fahrer und nicht bei dem Besitzer des Kfz. Sollte ein Mensch bei dem Unfall verletzt werden, droht auch ein strafrechtliches Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Welche Länder haben Winterreifenpflicht?

Von Land zu Land unterscheiden sich die Bestimmungen in Bezug auf die Winterreifenpflicht. Einige Länder haben wie in Deutschland nur eine situative Winterreifenpflicht, die Winterreifen müssen also nur drauf, wenn das Wetter auch winterlich ist. Andere Länder legen den Zeitraum genau fest.

In diesen Ländern gibt es eine festgelegte Winterreifenpflicht:

In Dänemark, Großbritannien, Polen, Belgien und den Niederlanden besteht hingegen keine Pflicht für Winterreifen. In Ländern wie Kroatien und Norwegen gibt es eine situative Winterreifenpflicht wie in Deutschland. Informieren Sie sich vorsichtshalber vor einem Urlaub über die genauen Bestimmungen zur Verwendung von Winterreifen in Ihrem Zielland.

Wann erfüllen Ganzjahresreifen die Winterreifenpflicht?

Ganzjahresreifen erfüllen nur dann die Winterreifenpflicht, wenn Sie mit dem Alpine-Symbol gekennzeichnet sind. Dieses besteht aus einem Berggipfel mit einer Schneeflocke. Handelt es sich um M+S Reifen, können Sie diese noch bis zum 30. September 2024 bei winterlichen Verhältnissen fahren. In Winterarmen Regionen sind Ganzjahresreifen eine günstige Alternative zum Reifenwechsel. Dabei sollten Sie bedenken, dass Ganzjahresreifen zwar das ganze Jahr über genutzt werden können, je nach Zusammensetzung und Aufbau jedoch im Winter oder im Sommer Schwächen aufweisen. Auch sind diese Reifen nicht oder nur teilweise für das Fahren in den Nachbarländern geeignet.

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Foto: dpa, Patrick Pleul

Gilt die Winterreifenpflicht auch für Pkw-Anhänger?

In Deutschland müssen Anhänger nicht mit Winterreifen ausgestattet sein. Die Winterreifenpflicht gilt nur für Kraftfahrzeuge. In Österreich sieht die Gesetzeslage anders aus. Hier werden Anhänger mit wintertauglichen Reifen bei winterlichem Wetter vorgeschrieben. Je nach Wetterlage empfiehlt der ADAC auch hierzulande den Anhänger mit Winterreifen auszustatten.

(rpo)
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