Autonomes Fahren Wenn das Auto selbst lenkt

Die ersten autonom fahrenden Busse rollen schon heute über die Straßen. Was ist das für ein Gefühl, wenn die Maschine das Kommando übernimmt?

 Hände weg vom Lenkrad: Der Cadillac CT6 mit dem System „Super Cruise“ hält auf vielen nordamerikanischen Autobahnen eigenständig die Spur.

Hände weg vom Lenkrad: Der Cadillac CT6 mit dem System „Super Cruise“ hält auf vielen nordamerikanischen Autobahnen eigenständig die Spur.

Foto: dpa-tmn/Cadillac

Der Wagen gleitet leise los. Nur die rauschende Pumpe des Lenkradgetriebes ist zu hören. Der Mercedes-Van hat weder Pedale noch Lenkrad. Joystick und Not-Aus-Knopf stecken in der Mittelkonsole – für alle Fälle. Sonst fährt das Versuchsfahrzeug des Automobilzulieferers ZF selbstständig, wie von Geisterhand. „Wir wollen Treiber des nächsten Mobilitätsschrittes sein, der elektrisch und autonom sein wird“, sagt der ZF-Chef  Wolf-Henning Scheider anlässlich der Präsentation des völlig selbstständig fahrenden Wagens der Autonomiestufe 5.

Bei Stufe-4-Fahrzeugen steuert ein Computersystem das Auto und der Fahrer greift nur noch ein, wenn das System ausfällt. Deshalb sind in Stufe-4-Fahrzeugen noch Lenkrad, Pedale oder ein Joystick montiert. Bei Autos der Stufe 5 entfallen diese Bauteile.

In ein paar Jahren soll der Traum vom fahrerlosen Auto auf den Straßen Wirklichkeit werden, etwa in Form von Robotaxen. „Dafür muss das autonome Fahren 100 Mal besser sein als das menschliche Fahren. Es muss absolut sicher sein. Nur dann wird es akzeptiert“, sagt Scheider. Vorerst geht es nur auf einem abgesperrten Parcours.

Wie ist es, in einem Auto zu sitzen, das gänzlich selbstständig fährt? Es ist zunächst ein seltsames Gefühl, wenn man vorne links sitzt und das Lenkrad fehlt. Das Anfahren würden selbst Fahranfänger feinfühliger hinbekommen, das Bremsen und Lenken ebenso. Der Roboter-Van ändert abrupter die Geschwindigkeit und gefühlt eckiger die Richtung, als es menschliche Fahrer täten. Dennoch zieht das autonome Auto präzise seine Bahn, bremst vor Hindernissen, welche plötzlich vor ihm auftauchen. Nach ein paar Runden lässt die Nervosität nach, die Mitfahrer vorne fangen an, auf ihren Smartphones Nachrichten zu lesen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das Versuchsfahrzeug auf einem abgesperrten Areal und nur rund 20 Stundenkilometer schnell fährt.

Doch es geht auch schneller. Der Cadillac CT6 mit dem integrierten System „Super Cruise“ fährt bereits mit bis zu 85 Meilen pro Stunde (rund 137 km/h) über ausgewählte nordamerikanische Freeways. Per Tastendruck lässt sich die Lenkhilfe aktivieren, der Cadillac erfasst dann Strecke, Linie und Verkehr. Der Fahrer kann die Hände vom Lenkrad nehmen und sich anderen Dingen widmen.

Doch bei so einer hohen Geschwindigkeit fährt dennoch die Angst mit. Permanent hat man das Gefühl, eingreifen zu müssen, die Hände schweben immer über dem Lenkrad – obwohl das Auto sauber die Spur hält. Während der zweistündigen Fahrt erlaubt sich das mit Kameras, Lidar sowie einem präzisen GPS und Kartenmaterial ausgerüstete Auto keinen Fehler. Derzeit bietet Cadillac das Stufe-3-System nur in den USA und Kanada an, aktiv wird „Super Cruise“ bislang auf rund 215.000 Straßenkilometern in diesen beiden Ländern.

Beim hochautomatisierten Fahren in Stufe 3 lenkt sich das Auto selbst, der Fahrer kann sich einige Zeit anderen Dingen widmen. Er muss aber jederzeit in der Lage sein, ins Fahrgeschehen eingreifen zu können. Der aktuelle Audi A8 könnte heute schon nach Stufe 3 fahren, wenn er dürfte, die nächste Mercedes S-Klasse soll es auch können.

Noch erlaubt der Gesetzgeber solche Fahrerassistenzsysteme in Deutschland nicht. Die bisherigen autonom fahrenden Autos sind Versuchsfahrzeuge und dürfen lediglich in einigen Bundesländern auf besonderen Strecken unterwegs sein. Hinter dem Lenkrad sitzt meist ein Sicherheitsfahrer, der zur Not eingreifen kann.

Die Beratungsfirma Berylls Strategy Advisors hat für die Stadt München den Einsatz voll autonomer Fahrzeuge der Stufe 5 simuliert und festgestellt, dass sich mit rund 18.000 Robotaxen etwa 200.000 private Fahrzeuge ersetzen und dabei noch 20 Prozent mehr Passagiere befördern ließen. Berylls-Geschäftsführer Jan Burgard schränkt jedoch ein: „Die Ergebnisse lassen sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht auf die in europäischen Großstädten herrschenden Verhältnisse übertragen.“ Es werde aber Städte geben, in denen sich Fahrzeuge in Stufe 4 und 5 voll autonom bewegen können.

Besonders geschützte Bereiche für Roboterautos erwartet Burgard bereits in wenigen Jahren, zunächst in Industrie-Arealen, aber auch im Personenverkehr, vor allem in China, im Mittleren Osten und teils in den USA. Bis in Europa autonomes Fahren in Städten in Stufe 4 oder Stufe 5 möglich ist, seien noch viele Hürden zu nehmen, meint Burgard. Nach Meinung von Automobilwirtschaftler Stefan Bratzel wird bis 2030 nur ein kleiner einstelliger Prozentbereich der neu zugelassenen Fahrzeuge in Stufe 4 oder 5  fahren.

Also alles ferne Zukunftsmusik? Nicht ganz. In der Stadt Monheim am Rhein können Passagiere das Gefühl ab Herbst 2019 erleben. Dann, wenn sie in einen Minibus einsteigen, der vom Busbahnhof Richtung Altstadt fährt. Alle zehn Minuten transportiert so ein Bus im fließenden Verkehr mit bis zu 20 Stundenkilometern die Passagiere, eine Begleitperson ist an Bord und kann im Notfall per Knopfdruck das Gefährt stoppen.

Im bayerischen Bad Birnbach fährt ein ganz ähnlicher Bus im Linienbetrieb eine kurze Strecke von 1,4 Kilometern mit bis zu 15 Stundenkilometern, er transportiert bis zu sechs Personen.

 Ab Herbst 2019 sind in Monheim am Rhein solche Minibusse ohne Fahrer unterwegs.

Ab Herbst 2019 sind in Monheim am Rhein solche Minibusse ohne Fahrer unterwegs.

Foto: dpa-tmn/Thomas Spekowius

Für Ende des Jahres plant ZF mit dem Aachener Start-up e.Go Mobile den Minivan ­„Mover“. Der Kleinbus soll zehn Personen aufnehmen und bis zu zehn Stunden elektrisch fahren. „Das ist kein Konzept, das kommt dieses Jahr auf den Markt“, sagt ZF-Chef Scheider.

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