Ein Erfahrungsbericht Fahren im Elektroauto - ist das wirklich anders?

Düsseldorf · Alle reden vom E-Auto, aber kaum einer fährt eins. Warum eigentlich? Am Fahrspaß kann es jedenfalls nicht liegen. Denn wer einmal ein E-Auto gefahren ist, will immer wieder.

So fährt es sich im Elektroauto
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So fährt es sich im Elektroauto

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Foto: dpa-tmn/Florian Schuh

Heulende Motoren, quietschende Reifen, ein röhrender Auspuff - für manche Auto-Fans gehört so etwas zu einem echten Sport- oder Geländewagen einfach dazu. E-Autos können da kaum mithalten. „Ein Elektroauto ist fast so etwas wie eine Oase der Ruhe“, sagt Wieland Brúch, bei BMW zuständig für den i3. „Lautlos aber kraftvoll.“

Wer sich in einen i3 setzt, weiß schnell, was Brúch meint. Nach dem Einschalten hört man als Fahrer erst einmal nichts. Kein Röhren, kein Brummen - einfach nur Stille. Auch wenn der Fuß das Gaspedal runterdrückt, wird es kaum lauter. Zu hören sind lediglich das Rollen der Reifen auf dem Asphalt und der Fahrtwind. Bei offenem Fenster und gemächlicher Fahrt kann man sogar noch das Vogelzwitschern hören. Aber bleibt da der Fahrspaß am Ende auf der Strecke?

„Die Beschleunigung ist unglaublich“, sagt Christian Löer, Marketing-Chef von Jaguar Deutschland, bei einem Vorstellungstermin für den neuen Jaguar I-Pace. „Die 696 Newtonmeter stehen sofort zur Verfügung“, beschreibt er die Kraftentfaltung des neuen Autos.

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Foto: SP-X/dpa, dbo exa wok bwe

Nun erwartet man zwar von einem Marketing-Chef nichts anderes als Begeisterung für die Produkte aus dem eigenen Haus. Doch die Beschleunigung des vollelektrischen Jaguars ist in der Tat immens. Wer das Gaspedal durchdrückt, wird sofort kräftig in den Ledersitz gedrückt.

Egal welches E-Auto: An der Ampel lässt man auch mit kleineren Autos größere Sportwagen durchaus mal stehen.

Der neue Nissan Leaf zum Beispiel schafft bei einer Leistung von 110 kW/150 PS den Sprint von 0 auf 100 km/h in 8,8 Sekunden. Der Porsche Macan mit seinem Vierzylinder-Verbrennungsmotor und 185 kW/252 PS ist mit 6,7 Sekunden nur unwesentlich schneller. Gegen den I-Pace hätte der Porsche aber keine Chance: Der Jaguar braucht mit seinen 294 kW/400 PS nur 4,8 Sekunden.

Der Spaß am Fahren ist auch einer der großen Reize, den Elektroautos ausüben, findet Löer. „Ich bin mit Autos aufgewachsen und hatte große Vorbehalte“, erzählt er. Doch die waren sofort weg, als er das erste Mal in einem E-Auto fahren konnte. „Es war fast so etwas wie Liebe auf den ersten Klick.“ Den Sound eines V8-Motors vermisst Löer jedenfalls nicht.

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Foto: Hersteller/SP-X

Dennoch: Bei der breiten Masse ist diese Liebe noch nicht angekommen. Denn nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg lag der Bestand an Elektro-Pkw in Deutschland Anfang 2018 bei gerade einmal knapp 54.000 Fahrzeugen.

Ein Grund für die Zurückhaltung ist nach Ansicht von Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen das derzeit noch knappe Angebot an unterschiedlichen Elektromodellen. „Das wird sich aber ändern müssen“, sagt der Auto-Experte. Denn nach den Plänen der EU müssen die Hersteller ihre CO2-Grenzwerte deutlich senken. „Insgesamt dürfte der VW-Konzern bereits 2022 gut 1,15 Millionen Elektroautos verkaufen“, erwartet Dudenhöffer aus diesem Grund. „BMW 230.000 und Daimler 250.000.“

Noch allerdings bestimmen nach Angaben von Dudenhöffer ausländische Hersteller den Markt. Es bewegt sich aber langsam etwas: Jaguar zum Beispiel will bis 2020 jedes Modell auch als E-Variante anbieten. Und auch andere Hersteller arbeiten an neuen Elektroautos. „Wenn neue Modelle in den Markt kommen, wird sich auch die Akzeptanz insgesamt verbessern“, glaubt Dudenhöffer.

Den Umstieg von einem Benzinauto auf ein elektrisches Fahrzeug hat BMW-Manager Brúch nicht bereut. Nicht nur wegen des Fahrspaßes, sondern auch weil sich seine eigene Mobilität inzwischen verändert hat. „Das Auto ist nicht immer das beste Verkehrsmittel“, erzählt der Münchner. So sitzt er inzwischen auch öfter in öffentlichen Verkehrsmitteln, je nachdem wo er hin will. „Ich nutze ein Auto heute ganz anders als früher.“ Sein neuer Maßstab: „So elektrisch wie möglich. Und wenn nicht mit dem Auto, dann gerne auch mal mit der Bahn.“

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Foto: Tui/dpa-tmn

Rollen statt rasen - das ist ein Gefühl, das man als Fahrer von Elektroautos schnell bekommt. Zwar ist der Sprint an der Ampel jederzeit möglich. „Ich muss das aber nicht ständig beweisen“, sagt Brúch. Zumal zügige Fahrten auch am Ladezustand der Batterien zehren.

Umgekehrt kann man mit vorausschauendem Fahren die Batterie immer auch ein wenig wieder aufladen - und auch das macht einen Teil des Fahrspaßes bei Elektroautos aus. Denn E-Autos belohnen den Fahrer: In den Displays kann man zusehen, wie die Reichweite steigt oder die Ladekapazität der Akkus zunimmt.

Mitunter werden, wie zum Beispiel im i3, für effizientes Fahren auch Sterne verteilt. Je länger man sparsam mit der Energie umgeht, je mehr davon bekommt man. Das spornt an. „Früher ging es darum, den Berg so schnell wie möglich hochzukommen“, erzählt Brúch. „Heute freuen Sie sich, wenn sich beim Runterfahren die Batterie wieder auflädt.“

Reichweite ist einer der kritischen Punkte bei der Elektromobilität. Noch herrscht bei den meisten Kunden „Range anxiety“ - übersetzt etwa „Angst vor zu geringer Reichweite“, erklärt Gareth Dunsmore, Direktor Elektrofahrzeuge bei Nissan Europe. Aus seiner Sicht ist das aber ein vorübergehendes Problem.

Denn mit jedem neu entwickelten Elektroauto nimmt auch die Reichweite zu. Der neue Nissan Leaf etwa mit seiner 40-kWh-Batterie kommt im Stadtverkehr nach Angaben des Herstellers inzwischen auf bis zu 415 Kilometer pro Akkuladung. Und Jaguar verspricht für den I-Pace sogar bis zu 480 Kilometer.

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Foto: dpa, loe

Außerdem wird die Ladeinfrastruktur in den kommenden Jahren vermutlich ausgebaut werden. „Wenn es bald möglich sein wird, das Auto an der Straßenlaterne zu laden, wird das vielen Angst vor E-Autos nehmen“, sagt Dunsmore. „Dann können Sie Ihr Fahrzeug aufladen, wenn Sie auf der Arbeit sind oder im Supermarkt einkaufen.“ Zur Tankstelle muss dann nicht extra gefahren werden.

Auch helfen die zahlreichen Assistenzsysteme in den E-Autos, die Fahrzeuge effizienter zu bewegen. Die meisten E-Autos können auch - zumindest teilweise - autonom fahren und damit vorausschauender und sparsamer.

Und bei der Routenplanung wird künftig nicht immer die schnellste Strecke die erste Wahl sein. „Das Navigationsgerät im Auto fährt Sie künftig vor allem effizient von A nach B“, erklärt Löer. Neben den Ladesäulen an der Strecke spielt auch das Profil eine größere Rolle. „Sie werden nicht mehr unbedingt über eine Passstraße geführt“, sagt Löer. „Es sei denn, Sie wollen das ausdrücklich.“

(csr/dpa)
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