E-Mobilität Die neue Freude am Fahren
Flüsterleise und überraschend flott – wer mit einem Elektroauto unterwegs ist, macht ganz neue Erfahrungen.
Das erste Mal vergisst man nie. Denn egal ob kleiner Stadtflitzer oder gewichtiger Geländewagen – wann immer ein Elektroauto startet, erlebt der Fahrer einen Kick, wie ihn sonst nur Sportwagen bieten. Auf den ersten Metern hat selbst gegen einen kleinen Stromer wie den Peugeot e-208 sogar ein Porsche keine Chance. Und obwohl das Tesla Model X doppelt so schwer und alles andere als windschnittig ist, hängt es an der Ampel sogar einen McLaren ab.
Dass dieser Sprint bei den Stromern auch noch in absoluter Stille erfolgt, macht die Raserei umso eindrucksvoller. Und das ist nicht der einzige Sinneswandel, auf den sich Umsteiger einstellen müssen. Sondern mit dem neuen Antrieb gehen eine ganze Reihe neuer „Erfahrungen“ einher, die den Zeitenwechsel buchstäblich spannend machen.
Die volle Kraft packt schon aus dem Stand zu Dass die Stromer so gute Sprinter sind, ist technisch begründet, erläutert Stefan Weckbach, der für Porsche die Taycan-Entwicklung verantwortet hat: Anders als Verbrenner entwickeln Elektromotoren ihre maximale Anzugskraft von der ersten Umdrehung an und können deshalb ohne Gedenksekunde starten. Allerdings ist die Beschleunigung nicht linear und lässt je nach Marke und Modell schnell spürbar nach.
Bei Kleinwagen wie dem Opel Corsa e oder dem Renault Zoe merkt man das schon auf der Landstraße, bei Oberklasse-Modellen wie dem Audi e-tron oder dem Mercedes EQC spätestens auf der Autobahn. „Denn in der Regel haben Elektroautos bislang nur einen Gang und wir müssen mit einer Übersetzung die richtige Balance zwischen Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit finden“, beschreibt EQC-Projektleiter Michael Kelz von Mercedes die Zwickmühle der Ingenieure. Und egal wie schnell ein Stromer nun auf Tempo kommt, verbieten sich hohe Endgeschwindigkeiten von selbst, weil sonst die Reichweite rapide abbaut. Bei ihren Verbrennern meist auf 250 km/h fixiert, beschränken sich etwa Mercedes und Audi bei ihren Batteriemodellen bislang auf 180 km/h und erlauben nur in Ausnahmefällen bei Sportmodellen wie dem kommenden e-tron Sportback S mal 210 km/h.
Bremsen mit dem Gaspedal braucht ein wenig Übung Ebenfalls eine neue Erfahrung im Elektroauto ist das Bremsen. Im Ringen um maximale Reichweite setzen die Stromer auf die sogenannte Rekuperation und polen den Elektromotor dafür zum Generator um, erläutert Skoda-Entwicklungsvorstand Christian Strube bei der ersten Testfahrt mit dem kommenden Elektro-SUV Enyaq. Sobald man den Fuß vom Pedal nimmt, wandelt er Bewegungsenergie in Strom um und verzögert so das Fahrzeug, ohne dass die mechanischen Bremsen benötigt werden. E-Fahrer sprechen da vom One-Pedal-Driving und kommen mit ein bisschen Übung ganz ohne Bremse durch den Tag. Allerdings gibt es gravierende Unterschiede: Während etwa Tesla extrem stark rekuperiert und man förmlich in den Gurt rutscht, sobald man den Fuß lupft, muss man den Grad der Rekuperation beim Enyaq für den Verzicht auf die Bremse im Menü erhöhen. Und Porsche lässt den Taycan gleich schier endlos segeln.
E-Autos bieten mehr Platz hinten und manchmal auch vorn Neben dem reinen Fahrgefühl und der neuen Ruhe beim Reisen gibt es bei den Stromern aber auch ein paar Eigenheiten, die nur mittelbar mit dem Elektroantrieb zu tun haben. Da sind zum einen die Platzverhältnisse: Weil E-Motoren viel kleiner sind als Verbrenner und die Batterien meist im Wagenboden verschwinden, bieten dezidiert um den neuen Antrieb herum entwickelte Fahrzeuge spürbar mehr Platz für die Passagiere.
Der VW ID.3 zum Beispiel hat Abmessungen wie der Golf, aber einen Innenraum so groß wie beim Passat. Und Tesla verspricht für das Model Y als einzigem kompakten SUV sogar eine dritte Sitzreihe. Außerdem lässt sich bei den Stromern – wie sonst nur bei Mittel- oder Heckmotorsportwagen vom Schlage eines Porsche 911 – auch der Bug als Kofferraum nutzen und wird dann aus der englischen Kombination von „Front“ und „Trunk“ zum „Frunk“.
Und auch die Reichweitenangst ist mittlerweile hinfällig ist, wenn sogar Kleinwagen schon WLTP-Radien von 300 Kilometern und mehr schaffen und Luxusmodelle über 500 Kilometer weit kommen.
Berührungsempfindliche Bildschirme dominieren Doch weil Elektroautos als besonders fortschrittlich gelten wollen, gehen sie meist auch im Cockpit neue Wege. Besonders, wenn sie sich keine Komponenten mit konventionellen Fahrzeugen teilen müssen. Porsche hat den Taycan mit einer riesigen Bildschirmlandschaft gestaltet wie ein Raumschiff. Und Tesla setzt bei Model 3 und Model Y auf eine Coolness, wie man sie sonst nur von iPhone & Co kennt. Denn nahezu alle Tasten und sämtliche Anzeigen weichen einem einzigen Touchscreen, der prominent in der Mitte vor dem Armaturenbrett thront.