100 Jahre Ampel Als Autofahrern ein Licht aufging

Düsseldorf · Die Ampel wird 100 Jahre alt - und es wird sie weiter geben. Auch wenn sich viele Autofahrer über lange Rotphasen ärgern. Statistisch gesehen verbringt jeder Deutsche etwa zwei Wochen seines Lebens mit Warten auf die Grünphase.

 Der historische Ampelturm am Potsdamder Platz in Berlin. Er wurde 1924 errichtet - und steht noch heute dort.

Der historische Ampelturm am Potsdamder Platz in Berlin. Er wurde 1924 errichtet - und steht noch heute dort.

Foto: dpa, wk mjh

Zwischen England und Deutschland gibt es einen erheblichen Unterschied im Straßenverkehr. Nein, dieses Mal ist nicht das Fahren auf der linken beziehungsweise rechten Seite gemeint. Sondern die deutsche Hassliebe zu Ampeln und die britische Leidenschaft für Kreisverkehre. Das Vereinigte Königreich zählt nur rund ein Sechstel so viele Ampeln wie Deutschland. Hierzulande sind es aktuell laut dem Ampelhersteller Siemens 1,5 Millionen "Lichtsignalanlagen". Das heißt aber nicht, dass es die Engländer ganz ohne Führung schaffen. Im Vereinigten Königreich regeln meist Kreisel den Verkehrsfluss, von Ampeln hält man dort eher wenig, viele Fußgänger ignorieren sie gerne. Rund 25 000 "Roundabouts" gibt es im Vereinigten Königreich, für Deutschland gibt es keine genauen Zahlen, doch sind es deutlich weniger.

Doch nun könnten diese historisch gewachsenen Grenzen verschwimmen. Weil sie rote Ampeln zunehmend ärgern, wünschen sich inzwischen auch eine Menge deutscher Autofahrer Kreisverkehre. Rund jeder dritte hält viele Ampeln für überflüssig. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact im Auftrag von Autoscout 24 hervor. Demnach wünschen sich 39 Prozent der Befragten mehr Kreisverkehre.

Das sind zum 100. Geburtstag der Ampel nicht unbedingt gute Nachrichten - doch es verwundert auch nicht: Denn rein statistisch verbringt jeder Deutsche zwei Wochen seines Lebens mit dem Warten an einer roten Ampel. Dabei waren es die Engländer, die den Vorläufer der Ampel erfanden - und in die Luft jagten. Schon 1868 gab es in London eine Gaslaterne mit rotem und grünem Licht, die ein Polizist nachts bediente. Doch nach drei Wochen explodierte sie und verletzte den Polizisten schwer. So dauerte es noch 46 Jahre, bis in Cleveland, Ohio, die erste Ampel in zwei Farben leuchtete, ein ähnliches Modell, wie wir es heute kennen. Die Idee hat mehrere Väter. Zu ihnen gehören Lester Wire, ein Polizist aus Salt Lake City, und Garrett Morgan, der Sohn eines ehemaligen Sklaven, der auch so unterschiedliche Dinge erfand wie Gasmaske und Haarglättungsmittel. Die ersten dreifarbigen Lichtsignalanlagen hielten 1920 in Detroit und New York Einzug.

Nach Deutschland kam die Ampel im Jahr 1922, die erste Anlage wurde in Hamburg am Stephansplatz aufgestellt. Bekannter wurde aber der zwei Jahre später errichtete Ampelturm in Berlin: Hoch oben auf dem Potsdamer Platz saß ein Polizist und steuerte das Signal per Hand. Kleinere Großstädte wie Krefeld erhielten erst in den 1950er Jahren Ampelanlagen. Anfangs war man der Funktionsweise gegenüber noch recht skeptisch, weshalb die Lichtsignale durch akustische Signale verstärkt wurden. Nach der Wende diskutierten Ost- und Westdeutschland darüber, wie ein Ampelmännchen auszusehen habe und ob ein grüner Blechpfeil an der Ampel sicheren Verkehr oder sicheres Verderben bringt. Auf fettigen Schokoriegeln prangt in einigen Ländern eine große rote Ampel, um vor zu vielen Kalorien zu warnen. Und Koalitionen bezeichnen sich als Ampel, weil ihre Parteien die gleichen Farben aufweisen - obwohl die doch nur zusammen leuchten, wenn die Ampel nicht funktioniert.

Laut Verkehrsministerium gibt es heute in NRW an Bundes- und Landesstraßen 5200 Lichtsignalanlagen, innerorts rund 20 000. Viele Deutsche behandeln ihre Ampeln mit Respekt, andere zerstören sie. Die meisten warten genervt, aber geduldig, bis das Licht von Rot auf Grün umspringt. Die Wartezeit nutzen Autofahrer am liebsten, um andere zu beobachten. Für die Zukunft wünscht sich die Mehrheit (74 Prozent) eine intelligente Ampel, die Rot- und Grünphasen dem aktuellen Verkehr anpassen kann. Auch Technik-Experten glauben in der Zukunft an moderne Kommunikationsanlagen, die den Verkehr regeln, indem sie mit dem Autofahrer sprechen. Sie könnten die Zeit anzeigen, wie lange noch rot ist und empfehlen, den Motor auszustellen.

Doch Stadtplaner sind sich einig: Auch wenn sich an Erscheinungsbild und Funktionsweise einiges ändern wird, ganz ohne Ampeln wird es in Zukunft nicht gehen. Sonst würde der immer weiter zunehmende Verkehr in den Innenstädten zusammenbrechen. Eines wird auf jeden Fall bleiben: oben ot, dann gelb und grün - Rot ist einheitlich auf der ganzen Welt immer oben angeordnet. Auch im kreisel-verliebten England sehen die Menschen zunehmend rot: In London wurden zwischen den Jahren 2000 und 2008 30 Prozent mehr Ampeln installiert - denn nur mit Kreisverkehren lässt sich der Großstadtverkehr nicht unfallfrei regeln.

(RP)
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