Rosemarie Trockel Deutschlands bedeutendste Künstlerin wird 70

Sie lehrte an der Düsseldorfer Kunstakademie. Und der „Kunstkompass“ bezeugt eindrucksvoll ihren Einfluss. Nun feiert Rosemarie Trockel ihren 70. Geburtstag.

 Die Künstlerin Rosemarie Trockel.

Die Künstlerin Rosemarie Trockel.

Foto: dpa/Oliver Berg

Rosemarie Trockel ist Deutschlands erfolgreichste Künstlerin. Vielleicht auch die teuerste, aber sicherlich die wichtigste. Von 1998 bis 2016 lang lehrte sie an der Kunstakademie Düsseldorf, an der man sie einst als Studienbewerberin abgelehnt hatte. Was muss die Berufung für ein Triumph für die jetzt 70 Jahre alt werdende Professor Trockel gewesen sein.

Seit ihrem Durchbruch mit Wollbildern in den 1980er Jahren wird sie als eine der wenigen Frauen zur international bedeutendsten Künstlerschaft gerechnet. Neben Preisen, Großausstellungen und Documenta- wie Biennale-Teilnahmen ist ein verlässlicher Bedeutungs-Barometer der „Kunstkompass“, der seit 1970 internationale Strahlkraft und Verkaufserlöse zusammenzählt. Auf dieser Liste rangiert sie permanent weit vorne, knapp hinter Platzhirsch Gerhard Richter, der 20 Jahre älter als sie ist und ebenfalls im noblen Stadtteil Hahnwald in Köln wohnt. Trockel hat sich kritisch zu diesem „Kunstkompass“ geäußert, obwohl sie lebender Beweis dafür ist, dass Erfolg auch mit Verkaufszahlen zu tun hat. Ein System, so die konzeptuell arbeitende Künstlerin, das den Erfolg von Kunst zugunsten von Investoren misst, sage nichts über Qualität aus.

Trockels Strickbilder sind ihre Masche. Dabei entstanden sie als Idee, das Material Wolle aus seinem frauentypischen Kontext zu lösen. Maschinen stricken die oft monumentalen Tableaux, Computerprogramme malen die Muster, die sich soziologisch deuten lassen. Die Künstlerin rührt nicht einen Faden an. „Dies einfache Experiment wurde zu meinem Markenzeichen“, so Trockel, „ohne dass ich es wollte“. Derzeit sind sie noch bis zum Ende der Biennale von Venedig am 27. November im zentralen Ausstellungspavillon zu sehen.

Rosemarie Trockels Werk in der Gesamtheit zu betrachten bedeutet einen Ausflug in die jüngere rheinische Kunstgeschichte zu unternehmen, der eine seiner Wurzeln in dem Aufbegehren der Kölner Szene um 1980 hat. Die in Schwerte geborene angehende Künstlerin studierte an der Werkkunstschule und hatte ihre erste Ausstellung 1983 bei Monika Sprüth, die mit ihr in der Kölner Altstadt ihre erste Galerie eröffnete. Die beiden waren unzertrennlich. Zeitweise trat Sprüth sogar öffentlich als Trockel auf. Denn als junge Frau litt diese unter Agoraphobie, einer Angststörung, die sie davon abhielt, auf öffentliche Plätze zu gehen. Sprüth, damals noch Stadtplanerin, war ihre wichtigste Freundin und Förderin. Die ersten Schritte Richtung Karriere gingen die Frauen zusammen in einer Zeit, als Trockel sich in einem künstlerischen Vakuum befand. Weibliche Vorbilder gab es in Deutschland wenige, in den USA lernte das Duo Persönlichkeiten wie Cindy Sherman und Jenny Holzer kennen. Trockel zeichnete vor allem, bevor sie mit Super-8-Filmen arbeitete, Videos, Fotos, Skulpturen, Objekten und Installationen.

In vielen ihrer Arbeiten lassen sich Weiblichkeitsentwürfe aufspüren, feministische Botschaften oder andere soziologisch interessante Phänomene. Sie verbaut glühende Herdplatten und hängt sie süffisant neben phallusförmige aufblasbare Ballons; zur Documenta X errichtete sie gemeinsam mit Carsten Höller ein Haus der Begegnung für (lebende) Schweine mit Menschen. Sie verleiht einem aschgrauen Wollbild den Titel „Menopause“, und Kirchners schlüpfrigen Mädchenakt übermalt sie rachsüchtig zum Männerakt. Trockel, die sich an trüben Tagen am wohlsten in der Stadtbibliothek fühlt, sagt: „Die Kunst arbeitet an der Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Aber direkte Veränderung durch Kunst ist wohl eher ein Märchen, an das es sich zu glauben lohnt.“

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