Uli Pohl stellt im Zero-Haus in Düsseldorf aus Die schwingende Physik des Neuanfangs

Düsseldorf · Im Düsseldorfer Zero-Haus ist eine Übersichtsausstellung von Uli Pohl zu sehen. Der Künstler präsentiert reine, klare, anonyme Objekte aus Acrylglas.

 Blick in die Ausstellung mit Arbeiten von Uli Pohl.

Blick in die Ausstellung mit Arbeiten von Uli Pohl.

Foto: Ruth Magers

Coolness wurde als Attitüde nicht in der Gegenwart erfunden. Cool – besser: kühl oder ernüchtert, desillusioniert – waren gewiss auch die Menschen, die sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs entschlossen, Künstler zu werden. Gerade in Deutschland waren es Frauen und Männer, die nach den traumatisierenden Erfahrungen des Nationalsozialismus an die bessere Zukunft glauben mochten. So auch Uli Pohl, geboren 1935 in München, bei Kriegsende gerade mal zehn Jahre alt, ab 1954 Malerei-Studium bei Ernst Geitlinger mit Diplomabschluss.

Er berichtete damals wie heute von seiner frühen Hoffnung, dass sich die Menschen, die nach dem Krieg endlich in relativer Freiheit leben konnten, in großer Zahl zu kulturell selbstbewussten und mündigen Demokraten entwickeln würden. Pohl war einer, der sagte, die Kunst kann die Menschen weiterbringen, einer, der daran glaubte, dass der Neuanfang in der Kunst den Neuanfang des Lebens und Denkens begleiten und stimulieren würde.

Deshalb entschied er sich, sein Werk von Sentimentalität, von Poesie oder sonstigen inhaltlichen Aufladungen zu befreien. Seine Werke sollten einem mündigen Betrachter begegnen, einem Rezipienten, der gewillt ist, aktiv mit Kunst umzugehen, der schaut, denkt, fragt und forscht. Dass nach den bitteren Erfahrungen der Nazi-Herrschaft einer wie Pohl „bloß keine Bevormundung“ durch die Kunst fordert, versteht man nur allzu gut. Seine Werke, so sagt er, sollen für nichts plädieren und nicht belehren. Sehen und Denken gehören zusammen, Kunst muss nicht politisch aussehen und kann doch politisch sein. Das ideale Material fand er für sich in Acrylglas.

Nun also feiert Pohl eine rheinische Wiederentdeckung durch die in Düsseldorf ansässige Zero-Stiftung, von den Protagonisten Piene, Mack und Uecker im Verbund mit der Stadt Düsseldorf gegründet, durch das eigene Haus mit historischen Bezügen eine interessante Ausstellungsveranstalterin.

Uli Pohl, der besonders in jungen Jahren internationale Erfolge feierte, gilt als Zero-Künstler, gleichzeitig ordnet er sich theoretisch der konkreten Kunst zu. Die Ausstellung in Düsseldorf (in Ueckers ehemaligem Atelierraum) zeigt das Zerohafte, den Zauber der ursprünglich unaufgeladenen Arbeiten, die ihr Umfeld wie Licht, Standort, Bewegung und weitere, vielleicht unerklärliche Schwingungen einbeziehen.

„Ich habe nie Dinge gemacht, um sie dann übers Sofa zu hängen“, sagt Uli Pohl und tut sich schwer damit, für seine Objekte die rechte Bezeichnung zu finden. Seine aus Acrylglas gearbeiteten Werke sind keine verschlossenen Arbeiten, sondern gewähren 100-prozentig den Durchblick, mal von Prismen gebrochen, auf Spiegel gestellt, der Welt zugewandt und vom Licht durchdrungen. Ein fein kontrastierender Dialog entsteht – hier die Geschlossenheit der Form und dort die Öffnung in multiple Sichtfelder und Blickachsen. Raum und Objekt vermitteln sich durch einander.

Man muss sich den heute 87-jährigen Künstler tagtäglich in seinem Ulmer Atelier vorstellen, mit der Fräse am Acrylglasblock arbeitend. Stundenlang geht das so, Fehler wären unverzeihlich, am Ende ist der Künstler oft voller weißer Flusen, was Bronchien und Lunge, auf die Jahrzehnte gesehen, übel nehmen. In feinmotorischer Schwerstarbeit entstehen die leicht wirkenden Acrylglasobjekte, für die ein Ausstellungsmacher treffend den Begriff „Raum-Essenzen“ erfunden hat. Der Raum ballt sich zusammen.

Beim Eintritt in die Ausstellung überwältigt einen die Ruhe, die Klarheit und Ordnung – Pohl, der wache, experimentierfreudige Geist und seine einmalige Manufaktur für die Zukunft. Wenn Visionen überhaupt zugelassen sind, dann gerne: seine Vision.

Schlingen, Schlaufen, Schlieren – feinsäuberlich ins Glas gebracht, ohne dass Arbeitsspuren bleiben. Stelen und viele verschiedene Ausformungen und Größen. Ein lichtes, spiegelndes, lockeres Miteinander, eine künstliche Gesellschaft, weit entfernt von Natur und Welt. Dazu an der Wand die frühen Zeichnungen, als Pohl begann, mit der Tuschefeder schwarze Quadrate und Rechtecke in unterschiedlicher Strichstärke aneinanderzusetzen. Später vollendete er es am Computer. Sehenswert!

Der Zerostiftung überlässt Uli Pohl ein kleines Ensemble aus sechs Makro-Modellen, die vom Ende der 1950er-Jahre stammen und überblicksartig Pohls Weise des virtuosen Auf- und Durchschneidens von Acrylglasblöcken wiedergibt.

In seinem Objekt will er anonym sein, sagt der Künstler, um im gleichen Moment zu berichten, was sich Aufregendes ereignet, wenn eine Frau mit rotem Schal an einem seiner Objekte vorbeizieht. Dann tunkt die Physik Pohls asketisches Werk in volle Farbe.

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