„Zentrum für politische Schönheit“ „Ein Frontalangriff auf Meinungs- und Kunstfreiheit“

Düsseldorf · Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt seit November 2017 gegen die Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“. Das Verfahren steht im Zusammenhang mit einem Mahnmal vor dem Wohnhaus von AfD-Politiker Höcke – wahrscheinlich. Die Gruppe protestiert.

 Aktivisten des Zentrums für politische Schönheit im Nachbau des Holocaust-Mahnmals.

Aktivisten des Zentrums für politische Schönheit im Nachbau des Holocaust-Mahnmals.

Foto: imago/Steve Bauerschmidt/Steve Bauerschmidt

Die Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit (ZPS) steht einmal mehr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Hatte die Gruppe bislang mit umstrittenen wie unerwarteten Aktionen auf sich aufmerksam gemacht, wird sie nun selbst zum Gegenstand eines überraschenden Vorgangs. Wie jetzt bekannt wurde, wird gegen den Gründer der Gruppe, Philipp Ruch, nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuchs ermittelt – wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das geht aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Auf eine kleine Anfrage der Linken im Thüringer Landtag hatte das dortige Justizministerium zuvor angegeben, dass seit Ende November 2017 gegen eine „Gruppierung von Aktionskünstlern“ ermittelt werde. Am Mittwochabend teilte die Staatsanwaltschaft Gera schließlich mit, es werde geprüft, ob die Gruppe den Politiker Björn Höcke (AfD) im Zuge einer Aktion ausgespäht habe.

Es geht um die Aktion „Holocaust-Mahnmal Bornhagen“ des ZPS. Die Gruppe hatte am 22. November 2017 in Sichtweite des Wohnhauses von Björn Höcke im thüringischen Bornhagen einen Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals enthüllt; eine Reaktion auf Aussagen des AfD-Politikers. Der hatte die Gedenkstätte zuvor als „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Zudem behauptete das ZPS, Höcke überwacht zu haben, gab dies später aber als bloße Täuschung aus. Die Aktion rief bei Fürsprechern und Gegnern des Zentrums für politische Schönheit ein breites Echo hervor – eine Woche später, am 29. November, nahm schließlich die Staatsanwaltschaft Gera ihre Ermittlungen auf, wie aus der Landtags-Anfrage hervorgeht. So wird in Thüringen zurzeit gegen eine links- und eine rechtsextreme Gruppe, gegen eine Gruppe von Holocaustleugnern, gegen ein Netzwerk von Fußball-Hooligans wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt und eben gegen die Künstlergruppe. Die hatte wegen des Mahnmals allerdings schon einmal recht bekommen. Das Landgericht Köln sah die Aktion in einem Urteil von März 2018 von der Kunstfreiheit gedeckt.

„Es ist aus unserer Sicht ein Frontalangriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit in diesem Land“, sagte ein Sprecher des ZPS. Man erwarte nun eine breite gesellschaftliche Debatte über die Konsequenzen, die Ermittlungen seien ein „Missbrauch des Paragraphen 129“. Philipp Ruch wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Ruch, ein promovierter Philosoph, ist Gründer des ZPS und tritt seit dessen erster Aktion vor zehn Jahren, einem Thesen-Anschlag am Bundestag, als Gesicht der Gruppe auf. Erst vor einem Monat hatte es schon einmal Diskussionen um seine Person gegeben, als die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) Ruch zu einem Kongress eingeladen, später aber wieder ausgeladen hatte. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums – dem das BpB unterstellt ist – begründete dies damit, dass das ZPS bei seiner Aktion „Soko Chemnitz“ im vergangenen Jahr „unter dem Schutz der Kunstfreiheit zu Denunziationen und zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht“ aufgerufen habe. Das ZPS hatte auf einer Internetseite mit Fotos nach angeblichen Teilnehmern rechter Ausschreitungen gesucht. Später gab die Gruppe an, es habe sich dabei lediglich um eine Falle gehandelt, um über eine integrierte Suchfunktion Erkenntnisse über rechte Strukturen zu gewinnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort