Mönchengladbach Wir-Gefühl: Unheilig in Mönchengladbach

Mönchengladbach · "Oh, wie ist das schön", singen sie im Chor, und der gesamte Hockeypark singt mit: "So was hat man lange nicht gesehen, so schön." Auf der Bühne steht der Graf, dieser glatzköpfige, breitschultrige Mann, blickt ins Rund, und seine Lippen formen ein stummes Dankeschön. "Wollen wir gemeinsam singen?", fragt er dann mit ruhiger Stimme, und natürlich wollen sie das. Sie hängen an seinen Lippen, am Grafen, an Unheilig, an diesem ganzen Abend.

"Heimreise" haben Unheilig ihre Open-Air-Tour genannt, beinahe wäre die Reise nach Mönchengladbach gar nicht erst losgegangen –sagt der Graf. Wie zum Beweis hält er das Attest vom morgendlichen Arztbesuch in die Luft. "Eigentlich darf ich heute gar nicht hier sein", sagt er, gekommen ist er natürlich trotzdem. Die Maschinerie Unheilig läuft, unaufhaltsam, unglaublich erfolgreich. Seit zehn Jahren funktioniert diese Band nun, zuletzt hielt sie sich so lange an der Spitze der Albumcharts wie keine deutsche Band jemals zuvor.

Seichter Düster-Pop trifft auf Rammsteins Stakkato-Gitarren, vorneweg prescht der Graf, die neue deutsche Schlagerhärte. "Lass die Zeit nur kurz stillstehen / und den Weg gemeinsam gehen", singt er in "Ein guter Weg"; "Komm lass mich nicht mehr los / auch wenn die Welt stillsteht" heißt es zwei Songs später. "Halt mich", so haucht er dann den Liedtitel ins Mikrofon, und wer zu zweit gekommen ist, hält jetzt fest zusammen. Für alle anderen ist der Graf da.

Als wollte er die voll besetzten Tribünen gleich mit umarmen, steht er mit ausgestreckten Armen am Bühnenrand, greift in die Luft und ballt die Hand zur Faust: Wir packen das! Dieses Wir ist es, was Unheilig so erfolgreich macht. Für die jungen Fans steht das "unheilige Kinderland" bereit, es gibt Wolldecken, einen Familienbereich auf der Tribüne und freien Eintritt für Senioren. "Das war vielleicht das schönste Konzert der Tour", sagt er nach gut zwei Stunden unaufgeregt – und man nimmt's ihm ab, auch wenn er das vielleicht jeden Abend sagt. "Oh, wie ist das schön" bahnt sich einen Weg durch die Massen. "Wollen wir gemeinsam singen?", fragt der Graf. Dann singen sie, der Graf, die Fans. Wir.

(RP)
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