Wie Technik den Film verändert

Köln Wahrscheinlich werden Filme in Zukunft so gedreht: Kameras dokumentieren einen Ort in allen Details, dann spielen Darsteller eine Szene im leeren Raum, und hinterher entscheidet der Regisseur, wie die Figuren in den abgefilmten Ort gestellt werden und von welchem Punkt aus das Geschehen betrachtet werden soll. "Wir erleben gerade, dass sich die Kamera als fixer Körper auflöst", sagt Regisseur Tom Tykwer, "Räume werden nachträglich besetzt, Perspektiven hinterher festgelegt, dieser Wandel zeichnet sich schon ab."

Welchen Einfluss die digitale Technik auf das Erzählen im Kino hat, darüber haben sich jetzt beim Medienforum NRW die beiden Regisseure Tom Tykwer und Oskar Roehler ausgetauscht. Eingeladen hatte sie die Filmstiftung NRW, die sich gerade in "Film und Medien Stiftung" umbenannt hat. Einig waren sich die beiden so unterschiedlichen Filmemacher in einem Punkt: Am Anfang des künstlerischen Prozesses sollte die Idee stehen, dann erst die Frage, wie sie umzusetzen ist. "Im Kino geht immer alles", so Tom Tykwer, "schon in den 30er Jahren hat man King Kong drehen können, das wirkt heute technisch holprig, ist aber beeindruckender als die Neuverfilmung." Er jedenfalls denke nicht schon beim Drehbuchschreiben daran, wie eine Szene technisch realisierbar ist oder gar, was das kosten wird, sondern schreibe seine Ideen erst mal hin und suche dann nach der richtigen Technik.

Obwohl Spezialeffekte in seinen Filmen kaum eine Rolle spielen, ist Oskar Roehler fasziniert von den Möglichkeiten digitalen Filmens. "Die Technik kann uns Traumregionen eröffnen", so Roehler, Selbst wenn in Filmen wie "Sucker Punch" die Handlung banal sei, könne es "Momente verzauberter Poesie" geben, weil der Zuschauer in plastische Welten entführt, von den Bildern verschlungen werde.

Doch obwohl Tom Tykwer für den deutschen Film als Technik-Pionier gelten darf – hat er doch schon "Lola rennt" vor 13 Jahren mit digitalen Hilfsmitteln produziert –, empfindet der Regisseur technisch besonders aufwendige Filme oft als zauberlos. Das habe unter anderem damit zu tun, dass die digitale Kamera alles zeigen könne, der Film aber auch vom Verborgenen, Ausgelassenen, von den Leerstellen lebe. "Heute kann man Kamerafahrten durch Mauern hindurch in den Himmel hinauf und dann zum Mittelpunkt der Erde machen", so Tykwer, "ich möchte aber gar nicht immer wissen, was hinter der Mauer ist, sondern es dem Zuschauer überlassen, sich das auszumalen." Schnitte würden zunehmend durch schnelle Kamerafahrten ersetzt. "Der Schnitt, die Auslassung, setzt aber die Gedanken des Zuschauers in Gang", so Tykwer. Die digitale Technik neige dazu, dem Zuschauer immer alles bruchlos vorzuführen. Das mache den Zuschauer aber passiv.

Kulturpessimist ist er dennoch nicht. Wie Roehler sieht auch Tykwer vor allem die Chancen der Digitalisierung. "Ich liebe die Kino-Technik", so Tykwer, "ich sehe in ihr aber nur, was sie ist: ein Werkzeug, um Geschichten zu erzählen."

(RP)
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