Sabine Klewe Meine Buchmesse

In ihrem Gastbeitrag berichtet die Schriftstellerin Sabine Klewe, wie sie die Buchmesse in Frankfurt erlebt. Es habe sich einiges verändert im Vergleich zu ihrem ersten Mal vor 20 Jahren, schreibt sie.

Sabine Klewe vor dem Stand ihres Verlages Rowohlt auf der Buchmesse.

Sabine Klewe vor dem Stand ihres Verlages Rowohlt auf der Buchmesse.

Foto: sabine klewe/privat

Genau 20 Jahre ist es her, dass ich zum ersten Mal die Frankfurter Buchmesse besucht habe. Damals hatte ich gerade meinen ersten Kriminalroman geschrieben und war auf der Suche nach einem Verlag. Mit einer Freundin bin ich durch die Hallen geschlendert, erschlagen von der Flut an Büchern und Verlagen, und mit jedem Schritt wuchs der Zweifel, ob die Welt nun ausgerechnet auch noch meine Geschichte braucht.

Mit dem Verlag hat es trotzdem geklappt, wenn auch erst nach der Messe. Inzwischen habe ich mehr als 30 Romane veröffentlicht und unzählige weitere Messen besucht, bin abgeklärt und ernüchtert, und doch zugleich jedes Mal aufgekratzt wie ein Kind an Heiligabend, wenn es im Herbst nach Frankfurt geht.

Denn inzwischen kenne ich die Spielregeln: Wer glaubt, auf der Messe ein Manuskript an Verlage verkaufen zu können, täuscht sich. Niemand hat Zeit für eine junge Debütantin, zudem werden die meisten Deals bereits im Vorfeld der Messe abgeschlossen, auch wenn alle gestresst von Termin zu Termin hasten. Und wer glaubt, auf der Messe für sein frisch erschienenes Buch werben zu können, mit Lesungen oder Presseterminen etwa, irrt ebenso. Die große Bühne steht nur wenigen Stars offen, von denen die meisten nicht einmal SchriftstellerInnen sind, sondern FußballerInnen, FernsehköchInnen oder Tatort-KommissarInnen.

Trotz dieser bitteren Realität liebe ich die Messe und habe sie in den vergangenen zwei Jahren schmerzlich vermisst. Ich liebe es, all die wunderbaren Bücher zu bestaunen und all den Menschen zu begegnen, denen Bücher genauso am Herzen liegen wie mir. Auf der Messe treffe ich Bekannte, die ich nur einmal im Jahr persönlich spreche, und ich lerne neue interessante Menschen kennen. Ich höre spannende Vorträge, die meinen Horizont erweitern, entdecke Bücher, die ich sonst nie bemerkt hätte, wie zum Beispiel in diesem Jahr die Krimis spanischer KollegInnen. Und zwischen all den Terminen bleibt immer noch Zeit, beim Sekt zur Happy Hour mit einem Verlagsmitarbeitenden zu plaudern oder beim Kaffee mit meinem Agenten Ideen auszutauschen.

In diesem Jahr ist die Atmosphäre einzigartig, denn über allem schwebt euphorische Wiedersehensfreude. Eine Lektorin erzählte mir, dass bei den Terminen mit Agenten kaum Zeit fürs Geschäftliche bleibe, weil man immer erst gemeinsam in Begeisterung schwelge, sich endlich wieder persönlich zu treffen. Dabei ist die Situation für die Verlage alles andere als rosig.

Die Coronakrise ist längst nicht überwunden, es sind nur rund halb so viele Aussteller in Frankfurt wie in den Jahren vor der Pandemie, was auch die extrabreiten Gänge und luftig gestalteten Stände nicht kaschieren können. Zudem leidet die Branche unter dem Papiermangel, der sich gefährlich zuspitzt.
Dieses Thema beschäftigt mich natürlich ebenfalls, denn auch meine berufliche Existenz hängt davon ab, dass Bücher gedruckt werden können. Doch die Freude an den Geschichten und Begegnungen lasse ich mir davon nicht verderben. Wenn ich nach den Messetagen heimkomme, werde ich auch in diesem Jahr leicht berauscht, vollkommen erschöpft und ein bisschen weiser sein.

Ist die Messe nun ein Bücherfest oder ein Jahrmarkt der Eitelkeiten? Definitiv beides. Das Bücherfest ist wunderbar inspirierend. Beim Jahrmarkt gehen Midlist-AutorInnen wie ich oft ein wenig unter. Wir sind zwar das Fundament, auf dem die gesamte Branche steht, doch die Aufmerksamkeit gilt nur den großen Stars: Die Aufmerksamkeit der Verlage, die oft nicht einmal die Neuerscheinungen ihrer weniger im Rampenlicht stehenden AutorInnen auf ihrem Stand ausstellen; die Aufmerksamkeit der Medien, die sich im Ruhm der Publikumslieblinge sonnen; und auch die Aufmerksamkeit der Veranstalter: SortimenterInnen und BibliothekarInnen bekommen ermäßigte Fachbesuchertickets.

AutorInnen, von denen die allermeisten nicht allein vom Schreiben leben können, zahlen den vollen Preis. Hier wäre ein bisschen mehr Achtung vor der wichtigen, aber häufig schlecht honorierten Arbeit der Menschen, die dieses Bücherfest erst möglich machen, eine schöne Geste.

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