Köln/Aachen Wie das Rheinland seine Kunst rettete

Köln/Aachen · Vor 150 Jahren galt es schon einmal zu entscheiden, wem Kunst gehört. Eine Fahrt nach Köln reicht, um zu verstehen, warum damals klug gehandelt wurde. Die Parallelen zur aktuellen Debatte um Kunstverkäufe in NRW sind erstaunlich.

Funktionslos gewordene Kunst liegt ungeachtet auf Speichern oder in Hinterzimmern. Ohne dass geklärt wäre, wem diese Kunstwerke zuzuordnen sind, geraten sie entweder in den freien Handel oder verfallen allmählich. Eine Zustandsbeschreibung aus dem Jahr 2014, in dem das Land NRW es richtig findet, Warhol-Gemälde aus dem Spielcasino Aachen zu versteigern? Nein. Es geht um den Umgang mit Kunst vor über 150 Jahren.

Zur heutigen Situation gibt es erstaunliche Parallelen. Damals gab es wertvolle, irrigerweise als wertlos angesehene sakrale Kunst, die auf privaten Speichern und in kirchlichen Hinterzimmern lagerte oder in den freien Handel geriet. So wie heute wertvolle Kunst unsachgemäß in Depots von Spielcasinos gelagert, in Unkenntnis ihres Wertes an öffentlichen Plätzen dem Verfall ausgesetzt ist oder dem Kunstmarkt zugeführt wird.

Damals war der achtlose Umgang mit der wertvollen Kunst eine Folge der Säkularisation. Die nach Aufhebung der Klöster und Stifte geplünderten kirchlichen Ausstattungsstücke waren funktionslos und dann plötzlich frei für den Markt und den staatlichen Zugriff geworden. Die Säkularisation sorgte für einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel. Christliche Tradition, die über Jahrhunderte Halt und Orientierung gegeben und insbesondere in der Verehrung der kirchlichen Kunstschätze ihren Ausdruck gefunden hatte, wurde durch ein historisches Bewusstsein abgelöst.

Die säkularisierte und sich modernisierende Gesellschaft begab sich auf die Suche nach der eigenen Kultur. Was war das eigene kulturelle Erbe? Das Streben, im Vergangenen Eigenes und Verlorenes wiederzufinden, erneuerte das Bewusstsein für die Notwendigkeit, christliche Kunst zu erhalten und fortzuführen. Die Forderung, die gefährdeten Kunstschätze zu retten, wurde lauter. So war es letztlich die Verantwortung für die Weiterentwicklung christlicher Kunst, die viele Werke rettete.

Einem Zusammenwirken von Bürgerinitiativen und Kirche ist es zu verdanken, dass es uns heute möglich ist, diese ehemals gefährdeten Kunstwerke im Museum zu betrachten. Die Kirche erkannte in der Kunst ein wertvolles Instrument kirchlicher Traditionsvermittlung und gründete den auf Bürgerinitiative angeregten zentralen katholischen Kunstverein, der zur Grundlage für die Gründung weiterer Zweigvereine auf Diözesanebene wurde. Diese Zweigvereine sahen sich besonders der Aufgabe verpflichtet, die vorhandenen Kunstwerke zu inventarisieren und schnellstmöglich einer breiten Öffentlichkeit kunsthistorische Fähigkeiten zu vermitteln.

Das als wertvoll erkannte Kunstgut wurde im nächsten Schritt den eigens für diesen Zweck eingerichteten Diözesanmuseen zur Aufbewahrung und Erhaltung überlassen. Über diese Organisationsstruktur entwickelte sich Köln zum Mittelpunkt der christlichen Kunstbewegung. Bedeutender Initiator dieser Bewegung war der Zentral-Dombauverein, der 1851 eigens zum Zweck der Domvollendung gegründet worden war. Zwei Jahre später wurde das Diözesanmuseum gegründet, das neben demjenigen in Paderborn das älteste seiner Art in Deutschland ist.

Das Erzbistum Köln sichert seither durch die museale Aufbewahrung nicht nur das wertvolle Kulturgut. Die Präsentationsform der erhaltenen mittelalterlichen Kunstwerke im heutigen Kolumba-Museum verdeutlicht darüber hinaus, dass allein über ihre Einbindung in einen zeitgenössischen Kontext christliche Tradition langfristig vermittelt werden kann. Das Hauptwerk mit dem geschichtsträchtigsten Hintergrund ist das um 1450 entstandene Gemälde "Madonna mit dem Veilchen" des führenden Kölner Malers Stefan Lochner. Bereits in der ersten Ausstellung im Jahre 1854 wurde das Bild, das zwei Jahre zuvor unter großflächigen Übermalungen entdeckt und wieder hergestellt worden war, mit dem für Köln typischen Lokalstolz gefeiert. In Kriegszeiten retteten es der spätere Kardinal Joseph Frings und Wilhelm Neuss, damaliger Direktor des Diözesanmuseums, auf abenteuerlichem Wege vor der Beschlagnahmung durch Görings Agenten.

Heute befindet es sich in dem Raum des Museums, der den Ausblick auf die Westfassade des Doms gewährt. Über seine Positionierung scheint es eine Verbindung mit ihm und der Geschichte Kölns einzugehen.

(RP)
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