Wer Wein trinkt, kriegt die Peitsche

Der kritische Blogger Raif Badawi kämpft vergebens für einen modernen Islam.

Allahu Akbar!" riefen die Claqueure. Nahe einer Moschee applaudierten sie, während Raif Badawi 50 Peitschenhiebe erhielt, die er knapp überlebte. Im Mai 2014 hatte die erzreaktionäre saudi-arabische Justiz den Blogger wegen dessen Islamkritik zum Tode verurteilt. Später wurde der Rechtsspruch in zehn Jahre Haft und 1000 Peitschenhiebe, verteilt auf 20 Wochen, umgewandelt. Dazu kommt eine hohe Geldstrafe; seine vom Staat bedrängte Familie ging nach Kanada.

Bereits die erste Auspeitschungs-Serie verletzte Raif Badawi so schwer, dass bisher keine weitere erfolgte. Heute lebt Badawi mit 30 anderen Gefangenen in einer 20 Quadratmeter großen Zelle. Dieser schmale Band enthält Texte, die der Misshandelte vor wenigen Jahren in arabischen Medien veröffentlicht hatte.

Raif Badawi attackiert islamische Länder, besonders das strenggläubige Saudi-Arabien, wo muslimische Despoten unbeirrt und eisenhart regieren. Die Vollstrecker der Scharia (göttliches islamisches Recht) lehnen wissenschaftliches Denken, wie wir es kennen, ab und verjagen mit ihrer Verbohrtheit die besten Forscher. Weitere Absonderlichkeiten: Wer beim Weintrinken erwischt wird, muss Dutzende Peitschenhiebe befürchten. Unter der Theokratie "ächzt, stöhnt und leidet" die islamische Welt, deren Kleriker nur einen Satz dulden: "Ich höre und gehorche".

Die Geistes- und Meinungsfreiheit der westlichen Aufklärung will Raif Badawi, der in Saudi-Arabien Gedemütigte und Geschundene, nun auch im Orient verankern. "Säkularisierung" heißt das Zauberwort; gemeint ist die Entfernung der Religion aus dem politischen Leben. Der Koran eigne sich nur "für die reine Anbetung des Herrn"; die staatliche Verwaltung jedoch könne "unmöglich von der Religion bedient werden".

Leider erliegt der Autor einem fundamentalen Missverständnis. Das Abendland trennt Staat und Kirche; zur völligen Einheit verschmilzt sie der Islam etwa im Königreich Saudi-Arabien, das seinen Reichtum dem Erdöl verdankt. Der Prophet Mohammed kämpfte sogar als Feldherr. Ein "moderner" Islam, der die diesseitige Welt nicht beherrscht, widerspräche der eigenen religiösen Doktrin. Schon Johann Wolfgang Goethe hat im "west/östlichen Diwan" betont, dass der Islam "dumpfen" Gehorsam fordert und keine Grenzlinie toleriert.

Bei europäischen Muslimen, so meint Buchherausgeber Constantin Schreiber, gäbe es enorme "Spannungen zwischen Kultur und Religion".

Gerade hinsichtlich der fürchterlichen Ereignisse vom 7. Januar dieses Jahres im Zusammenhang mit den Morden in der Pariser Redaktion der Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" seien Raif Badawis Erörterungen "von größter Aktualität".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort