Vom Hass- zum Liebesprediger Wenn Serdar Somuncu über Gefühle singt

Köln · Mit seinem neuen Album „SYSPHS“ zeigt sich Comedian Serdar Somuncu von einer unbekannten Seite - als Popsänger. Ganz verabschieden will sich der selbsternannte Hassprediger von seinem alten Image aber nicht.

  Das Cover des Albums "Sysphs" von Comedian Serdar Somuncu.

Das Cover des Albums "Sysphs" von Comedian Serdar Somuncu.

Foto: dpa/Paul Schirnhofer

Hasspredigten, Brüll-Tiraden, Provokation. All das kennt man von Serdar Somuncu. Nichts anderes erwartet man, wenn der Deutsch-Türke ein neues Album ankündigt. Doch dann ertönen Gitarrensaiten und ein gehauchtes „Baby, Baby, Baby, bleib hier“. Ist er das wirklich, der Somuncu? Ist er. „Für mich ist eine Zeit gekommen, um zu zeigen: Man kann auch weicher sein. Man kann auch sensibler sein“, sagt der Comedian im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Köln.

Ist Somuncu mit 51 Jahren etwa ruhig und leise geworden? Er versuche, immer näher an das heranzurücken, was er wirklich sei. Doch die leiseren Töne auf seiner Platte haben nicht nur mit ihm selbst, sondern auch mit seiner Umwelt zu tun. „Wenn es vor zehn Jahren wichtig war, aggressiv, selbstbewusst oder provokant auf Dinge zu reagieren, so ist das heute anders. Ein Großteil meiner gespielten Aggressionen hat sich ja mittlerweile auf die Gesellschaft übertragen“, sagt der Komiker. Das sei zwar nicht sein Ziel gewesen - „aber vielleicht ist es gut gewesen, um das zutage zu befördern“.

Serdar Somuncu bei der RP-Redaktion in Düsseldorf
10 Bilder

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Foto: Krebs, Andreas (kan)

Mit „SYSPHS“ lehnt sich Somuncu im Titel an den von Zeus bestraften Sisyphos aus der griechischen Mythologie an, der mühsam einen Stein einen Berg hochrollen muss, der allerdings immer wieder hinunterrollt. Für Somuncu eine Analogie zur Liebe, in der man ebenfalls immer wieder mit Rückschlägen und Neuanfängen konfrontiert sei.

Dass er nun also Lieder singt, die nicht nur „Lily Girl“, „Du bist da“ oder „In diesem Moment“ heißen, sondern auch genauso schnulzig klingen, ist für den Künstler keineswegs ein Rückzug ins Private. „Im Kleinen ist jede Liebesgeschichte nicht nur eine Auseinandersetzung mit sich selbst, sondern auch mit einem anderen Menschen“, sagt Somuncu. „Und da beginnt ja Politik.“

Bekannt als brüllender Comedian, Rapper, Vorleser von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ oder Kanzlerkandidat der satirischen „Partei“ macht Somuncu also zwar eine kleine Pause vom Klamauk, wählt aber kein grundsätzlich anderes Thema. 2020 will er wieder als „größter Hassias aller Zeiten“ auf der Bühne stehen. Bis dahin muss man als Hörer versuchen, die alten Tiraden auszublenden, um sich auf Somuncus Softie-Kurs einzulassen. In lauten Zeiten provoziert das Leise.

Musikalisch ist „SYSPHS“ ein wilder Ritt durch die Genres: Pop-Balladen dominieren, doch auch jazzige, klassische Klänge, Schlager-Beats und sogar Country-Klänge finden Platz. „You Fuck Me Up“, singt Somuncu in Endlos-Schleife in kleinen Einspielern zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Albums - ob das ein Bekenntnis der Genervtheit oder der Überwältigung ist, bleibt offen. Die 18 Instrumente, die zum Einsatz kommen, spielt er alle selbst, Banjo und Mandoline hat er sich neu beigebracht. Das sei praktisch, mache aber auch manchmal einsam, erzählt der Musiker.

Immerhin hat Somuncu, wie bereits auf seinen zwei Rap-Alben, den Kölner DJ und Produzenten André Fuchs an seiner Seite - und ist dafür sehr dankbar. „Es geht meistens um 9 Uhr los und hört um 3 Uhr nachts auf“, erzählt er über seine Tage im Studio. Seltene Pausen seien zwar erlaubt - „aber nicht, wenn gerade eine wichtige Idee da ist“.

Mit seinem Album zu irritieren sei nicht seine Absicht gewesen, erklärt der Künstler. „Interessiert mich eh nicht, was die Leute denken“, heißt es in einem der kleinen Einspieler.

(siev/dpa)
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