Düsseldorf Wem gehören die 400 Immendorff-Grafiken?

Düsseldorf · Ende August verhandelt das Oberlandesgericht Düsseldorf erneut über die Eigentumsverhältnisse. Oda Jaune tritt als Streithelferin auf.

Jörg Immendorff wäre heute 71 Jahre alt. Und der 2007 gestorbene Künstler, eine der schillernden Schlüsselfiguren im Rheinland der 1968er Jahre, wäre sicherlich erregt über das juristische Gezerre um sein grafisches Werk. Dieser Streit um Eigentum verweist auf Dunkelzonen im Kunstbetrieb und könnte - ähnlich wie im Fall Achenbach - aufzeigen, dass mit gefälschten Verträgen und collagierten Belegen womöglich erneut versucht wird, nicht nur einzelne Menschen, sondern die Gesetze des Kunsthandels zu beschädigen.

Längst schien im August des vergangenen Jahres entschieden, dass jene knapp 400 Grafiken - fast das gesamte Immendorff-Oeuvre -, die seit 2005 im Lager der Düsseldorfer Galerie von Till Breckner schlummern, dem Künstler und damit seiner Erbin Oda Jaune gehören. Im Urteil des Landgerichts wurde Oda Jaune als Streithelferin des Beklagten benannt. Das heißt, die Immendorff-Witwe ist dem beklagten Till Breckner zur Seite gesprungen.

2005 waren die Grafiken aus dem Künstleratelier und aus einem weiteren Aufbewahrungsort in die Galerie geschafft worden zwecks Erstellung eines Werkverzeichnisses. Das berichtet Till Breckner, der seinerzeit noch mit Dirk Geuer gemeinsam die Galerie Geuer & Breckner in der Alte Stadt führte. (Im Juni 2013 trennten sich Geuer und Breckner geschäftlich.) Mit Jörg Immendorff habe man vereinbart, so Breckner, als Galerie und Verlag das grafische Werkverzeichnis zu erstellen. Dazu benötigte man von jedem Motiv des Künstlers ein Exemplar, um die Entstehung und Echtheit zu recherchieren und um es für das Werkverzeichnis zu digitalisieren. "Ich habe die Arbeiten persönlich und gemeinsam mit Dirk Geuer aus dem Atelier geholt", sagt Till Breckner. "Damals war nie die Rede davon, dass wir die Arbeiten kaufen."

In der Verhandlung vor dem Landgericht hatte Yvonne Geuer aber etwas anderes behauptet, dass nämlich sie die Eigentümerin der Werke sei. Die als DDR-Künstlerin unter dem Namen Yvonne van Acht bekannte Ehefrau des ehemaligen Geschäftspartners von Till Breckner hatte versucht, glaubhaft zu machen, die Arbeiten von Jörg Immendorff gehörten ihr. Ihr Mann, Dirk Geuer, habe sie ihr für 50.000 Euro verkauft, er selber habe sie einst vom Künstler geschenkt bekommen.

Yvonne Geuer klagte gegen Till Breckner, der behauptet, wegen der Aufbewahrungspflicht Besitzer, aber nicht Eigentümer zu sein, auf die Herausgabe der Grafiken. Ging es bei Prozessbeginn noch um einen Streitwert von rund 300.000 Euro, wird inzwischen der Wert des Konvoluts mit 1,5 Millionen Euro angegeben. Als vermeintliches Beweismittel hatte Klägerin Yvonne Geuer dem Gericht einen Kaufvertrag vom 19.12.2005 vorgelegt mit anhängendem Werkverzeichnis. Die Klage von Yvonne Geuer gegen den Galeristen Till Breckner wurde abgewiesen wegen einer Vielzahl von ungeklärten Sachverhalten, von Widersprüchen und uneindeutigen Beweismitteln. Die Schenkung der Grafiken an Dirk Geuer konnte vom Gericht offenbar nicht nachvollzogen werden, wodurch der Verkauf an seine Ehefrau erst recht nicht glaubhaft dokumentiert werden konnte. Nun aber ist die Klägerin in die Berufung gegangen und will Ende August vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erneut ihr vermeintliches Eigentum einfordern.

Das umfassende Werkverzeichnis ist vor zehn Jahren auf den Markt gekommen und im Verlag Geuer & Breckner erschienen. Ein Jahr später, am 28. Mai 2007, erlag Jörg Immendorff der amyothrophen Lateralsklerose (ALS), einer tödlichen Nervenkrankheit, an der er seit 1997 gelitten hatte. Er hinterließ seine Witwe Oda Jaune, die gemeinsame Tochter und seinen Sohn aus einer früheren Beziehung mit der Düsseldorfer Modedesignerin Marie-Josephine Lynen.

Eine Vielzahl von Prozessen ist seitdem vor Gericht anhängig geworden. Mal geht es um den Erbstreit zwischen Oda Jaune und dem Sohn, mal um die Echtheit von Signaturen insbesondere angesichts der Vielzahl von auf den Markt geworfenen Affen-Plastiken. Erschwerend kam hinzu, dass 2008 bekannt wurde, dass der Künstler selber Kopien seiner Bilder als eigene Werke verkauft haben soll. Immendorffs Galerist Michael Werner, der als Testamentsvollstrecker eingesetzt worden war, veröffentlichte die Warnung, dass sich im Kunsthandel Immendorff-Werke befänden, die nicht von dessen Hand stammten. Diese sollen Assistenten nach seinen Vorstellungen gefertigt haben, er soll sie nach Darstellung des Galeristen mit der Signatur versehen haben. Immendorff hat in einem Interview dies als "Verobjektivierungsmethode" beschrieben; er konnte krankheitshalber die Bilder nicht mehr selber malen, sondern leitete dazu seine Assistenten an.

Nur Immendorff hätte als Zeuge vor Gericht wahrscheinlich Klarheit in den Eigentumsstreit bringen können. Ob die Klägerin neue Beweismittel vorlegt? Yvonne Geuer war wie auch Ehemann Dirk telefonisch und per Mail gestern nicht erreichbar. Der beklagte Till Breckner sagte, bei diesem Prozess gehe es auch um die Reputation seiner Branche. "Mein höchstes Gut ist, dass ich vertrauensvoll mit dem Werk umgehe, das man mir anvertraut."

(RP)
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