Das neue Kirchenjahr beginnt Die Chancen des Advents

Düsseldorf · Was wir in diesem Jahr und diesem Winter brauchen, ist Hoffnung, ist ein zuversichtlicher Blick in die Zukunft. Der Advent ist dafür eine gute Erfahrung.

Am Sonntag beginnt mit dem ersten Advent auch das neue Kirchenjahr.

Am Sonntag beginnt mit dem ersten Advent auch das neue Kirchenjahr.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Unsere Stimmung aktuell? Das ist wohl der Wunsch, dass einiges möglichst schnell zu Ende geht. Der Krieg in der Ukraine vor allem. Die Sorgen um Strom und Gas zu Beginn eines Winters, von dem wir noch nicht wissen, wie belastend er sein wird. Unsere Angst vor neuen Virusvarianten. Die Ernährungskrise weltweit. Schließlich und vor allem nicht zuletzt: wenigstens das Abbremsen des nicht mehr aufzuhaltenden Wandel unseres Klimas mit seinen noch unabsehbaren, vermutlich aber verheerenden Folgen. Eine Unterbrechung des sogenannten Weltgeschehens täte jetzt gut. Noch besser: eine Art Reset-Knopf.

Das sind naive Wünsche für einen unschuldigen Neuanfang. Naiv deshalb, weil sie ausblenden, dass wir selbst es sind, die für viele Bedrohungen die Verantwortung tragen.

In dieser Zeit voller Ungewissheiten beginnt etwas Neues: ein Kirchenjahr nämlich. Der 1. Advent ist sein „Startschuss“, auch wenn keine Sektkorken knallen und kein Feuerwerk am Himmel erscheint. Das neue Kirchenjahr setzt leise und auch ein bisschen besinnlich ein, wenn am Sonntag in vielen Haushalten die erste Kerze auf dem Adventskranz angezündet wird. Der Adventskranz ist im Grunde ein Zeitmesser, genauer vielleicht ein Countdown. Weil mit jeder neuen Kerze das Weihnachtsfest um eine Woche näherrückt. Daraus erwächst Vorfreude, auch in schwieriger Zeit.

Alles im Advent ist nach vorne gerichtet, in die Zukunft. Das ist schon seinem Namen eingeschrieben. Advent leitet sich vom lateinischen „Adventus“ ab und bedeutet „Ankunft“. Damit ist die Geburt Jesu in der Heiligen Nacht gemeint, die Ankunft Christi, die Menschwerdung Gottes.

Und wer nicht glaubt? Oder den Glauben nach all den Skandalen und Krisen an seine Kirche verloren hat? Das Einüben des Wartens und die Erfüllung der Ankunft sind existenzielle Lebenserfahrungen. Sie sind auch ohne Glauben möglich, aber sie bleiben mit dem Glauben eingebunden in eine Gemeinschaftserfahrung. Das Warten der Vielen ist das Fundament von Solidarität.

Unsere Städte signalisieren das Gegenteil von all dem. Adventsmärkte und gigantische Weihnachtsbaum-Pyramiden haben nichts zu tun mit dem Geist des Advents. Nun muss man nicht gleich päpstlicher als der Papst sein und sofort alles verteufeln. Nur ist der Rummel ums bevorstehende Fest viel mehr als nur ein atmosphärisch netter Begleitumstand. Er macht den Sinn des Advents schlicht vergessen.

Seinem Wesen nach ist der Advent kein fröhliches, Glühwein-seliges Fest, sondern eine Zeit des Fastens und darin durchaus vergleichbar mit der vorösterlichen Zeit. Früher begann der Advent schon Mitte November und dauerte 40 Tage – eine in der Bibel symbolträchtige Zahl: 40 Tage dauerte die Sintlfut, 40 Jahre wanderte das Volk Israel nach seinem Auszug aus Ägypten durch die Wüste, 40 Tage bereitete sich Jesus in der Wüste auf seine Sendung vor.

Der Advent steht also in einem großen Zusammenhang der Menschheitsgeschichte. Das kann man schulterzuckend ignorieren und sein Leben weiterleben wie bisher. Man kann das aber auch als Chance nutzen, diese Tage und dann auch unsere Krisenzeit allgemein bewusster zu leben. Der Advent ist ja nicht aus der Zeit gefallen, er hat nichts Nostalgisches an sich. Der Advent unserer Tage könnte noch stärker als in früheren Jahren mit Hoffnung verbunden sein, mit einem zuversichtlichen Blick in eine Zukunft, die immer schon ungewiss war. Wir können nicht wissen, wie es in der Ukraine weitergehen, wann das Töten dort enden wird. Ein Fragezeichen bleibt vorerst auch hinter der Aussicht, wie wir und viele andere Menschen den Winter meistern werden. Und über unser künftiges Klima gibt es derzeit nur widersprüchliche Prognosen. Werden wir tatsächlich eine der letzten Generationen sein?

Die Hoffnungsglaube des Advents antwortet darauf nicht mit trotzigem und robusten Optimismus. Diese Hoffnung richtet sich auf die Geburt Jesu, sie bleibt am Ende eben keine leere Versprechung. Was sich in der Heiligen Nacht begab, macht die Welt allein nicht heil. Aber sie kann Mut machen, Kraft und Zuversicht spenden. Auch das ist nicht wenig.

Am Sonntag wird in vielen Familien die erste Kerze des Adventskranzes entzündet. Es folgen in den kommenden Woche drei weitere Kerzen. Es wird Kerze um Kerze heller. „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“, sagt Jesus im Johannes-Evangelium.

Alles Gute und Gottes Segen für das neue Kirchenjahr.

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