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Ausstellung im Museum Kunstpalast Vorhang auf!

Düsseldorf · Von Tizian bis Christo: "Hinter dem Vorhang" im Museum Kunstpalast zeigt, wie aktuell das Thema Verhüllung seit der Renaissance ist.

Beat Wismer zieht ein letztes Mal den Vorhang auf für eine große Themenausstellung in Düsseldorf. 2017 geht der Generaldirektor nach Verlängerung in den Ruhestand. So wie er immer eine Idee von allen Seiten der Kunst her lustvoll beleuchtet und am Ende durchdrungen hat, so agiert er auch jetzt. Für die Schau "Hinter dem Vorhang" versammelt der Schweizer 200 Meisterwerke aus sechs Jahrhunderten. Er rückt Weltkunst auf Bühnen und in den Blick - kostbare, prächtige, wirkmächtige Bilder, Plastiken und Installationen, die das Thema Verhüllung, Schleier, Enthüllung und Tuch bearbeiten.

Mit diesem Sujet provoziert er im Betrachter Schaulust. Man erlebt: Das Nichtsichtbare setzt sich mit dem Blick zum Sichtbaren zusammen. Die Malerei ist die Kunst der Täuschung. Seit der Antike verstecken sich Geheimnisse der Kunst hinter dem Vorhang. Kaum anzunehmen, dass jemand nicht berührt wird, schließlich wird die Neugierde bedient, der Urtrieb des Menschen. Diese Ausstellung hat Wismer für das breite Publikum komponiert, was nur in einem großen Haus wie dem Kunstpalast möglich ist. Und man müsse ihn verstehen, sagt Wismer: "Ich kann hier nicht weggehen, ohne dass Tizian zu Besuch war."

Regelrecht verliebt habe er sich in Tizians Gemälde "Bildnis des Filippo Archinto", das er einst im Philadelphia Museum of Art anschaute. Auf dem Bild ist das Gesicht des Erzbischofs zur Hälfte von einem weißen Schleier bedeckt. Während sein linkes Auge darunter liegt, wird das rechte durchtrennt von der Schleierkante. Der Bischofsring bleibt unverhüllt, das Gebetbuch hingegen liegt unterm Stoff, wo sich das Rot des Gewandes zu ödem Braun verfärbt. Seit der Antike ist das Herrscherporträt eng mit dem Vorhang verbunden. Der Vorhang zeigt Nähe zum Göttlichen an sowie die herausgehobene Position, die Distinktion in der höfischen Gesellschaft. Bei Tizians Erzbischof, so erklärt es Kunsthistoriker Horst Bredekamp, entspringt der nach rechts verschobene durchsichtige Vorhang einem Kalkül von Verhüllen und Freilegen. Dieser Filippo, den Tizian zwischen März und Juni 1558 so meisterhaft gemalt haben soll, war nicht mit der Welt im Reinen, sondern im Konflikt mit der Stadt Mailand. Nun aber gastiert er in Düsseldorf, begleitet von einem zweiten Tizian-Gemälde, gehängt auf gelber Wand.

Gelb ist auch der VW-Käfer, den Christo einst verpackte und verschnürte; 1961 tat er dies in Düsseldorf. Lange, bevor der Amerikaner mit bulgarischen Wurzeln den Deutschen Reichstag verhüllte und mit seiner Masche weltberühmt wurde. Das Auto bildet den Auftakt in die moderne Abteilung der Ausstellung. Doch von Anbeginn wird die Trennung der Zeiten nicht so streng genommen. Im Gegenteil haben Wismer und Ko-Kuratorin Claudia Blümle auf Dialog und Konfrontation gesetzt, manchmal, ohne dass man es merkt. So wandert der Blick im ersten Saal sogleich in Richtung roter Vorhang. Aus Samt ist die Arbeit des Düsseldorfers Hans-Peter Feldmann, mit großen Rollen hat er den Stoff an einer goldenen Stange befestigt und drapiert. Nichts ist dahinter. Gleich daneben hängen Gemälde aus der Zeit zwischen 1647 und 1778. Das passt.

Nicht weit entfernt von den Tizians auf gelber Wand überrascht ein schrilles Großformat von Cindy Sherman, auch die Amerikanerin fügt sich mit ihrem XXL-Selfie in rotem Faltengewand und großer Pose irgendwie in die alte Zeit, der sie zugeordnet wird. Wismer, der ein hartnäckiger Bilderjäger ist, hat seinen Blick weit schweifen lassen.

Dicht an dicht hängen Werke, lauern Skulpturen, stehen Häuser und Installationen. Ein weißer Vorhang versperrt den Weg, von der Decke hängt ein Bildnis der Grausamkeit, "Fallende Frau" von der in Düsseldorf lebenden Paloma Varga Weisz. Ebenfalls mit Skulptur hat Berlinde de Bruyckere das Thema dramatisch intoniert, während die andere Belgierin, Lili Dujourie, aus Vorhängen geheimnisvolle Objekte baut. Als "Bild-Essay" bezeichnet Wismer seinen Ausstellungsparcours, anspielend auf die Nachdenklichkeit und Poesie, die in dem Drama mit dem Vorhang mitschwingt. "Purità" oder verhüllter Frauenkopf heißt eine Marmorbüste des Venezianers Corradini, der unvorstellbar zart die Kunst der Andeutung beherrscht, von Unschuld und Reinheit berichtet. Viel dicker aufgetragen hat Arnold Böcklin, dessen anrührendes Querformat von der Trauer der Maria Magdalena um den Leichnam Christi berichtet. 1867 entstand dieses Bild, das die Augen magisch anzieht, und wie so oft in dieser Ausstellung fangen sie sich im Tuch, im feinen grauen langen Schleier der Maria.

Fast zu dicht hängen die Meisterwerke von Rembrandt, Rubens, Arcimboldo, Holbein, Tintoretto, El Greco, Cranach - dazwischen ein Alabaster-Altar von Riemenschneider, eine Zeichnung von Arnulf Rainer. So erzielt man Spannung mit 140 verschiedenen Künstlern. Der Vorhang deckt auf oder zu, in Akten, in anderen intimen Momenten oder in göttlichen Anordnungen. Die Modernen arbeiten monumental. Gerhard Richter hat seine eigenen Verhüllungssysteme und hat doch einen Vorhang gemalt, formatfüllend - Dieter Krieg ebenfalls, extra unperfekt. Neo Rauch erklärt den Vorhang zum Titel eines Gemäldes, Jörg Sasse hat ihn grandios fotografiert. In der Moderne, das sieht man, verschließt sich der Vorhang, die Verhüllung an sich wird Thema.

In Düsseldorfs Kunstmuseum sollte man den Vorhang nicht zuziehen. Beat Wismer hat nicht erst mit dieser Ausstellung Maßstäbe gesetzt und die altmodisch wirkende Trutzburg der Kunst in ein zukunftsfähiges Haus verwandelt. Daran muss sich ein Nachfolger messen lassen.

(RP)
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