Von Lust und Last der Verwandlung

Xavier Dolan erzählt in "Laurence Anyways" von einem Mann, der Frau wird.

Laurence und seine Freundin Fred sind ein Paar, das seine Originalität zelebriert. Zum Champagnertrinken fahren sie durch die Waschstraße, zu Partys putzen sie sich fantastisch heraus, über die Liebe sprechen sie in unabgedroschenen Sätzen. Die beiden achten einander, begehren einander, genießen das Leben. Doch dann kommt der Tag, da Laurence dieser Beziehung eine existenzielle Abkehr von gesellschaftlichen Normen zumutet: Er eröffnet seiner Freundin, dass er sich in seinem Körper nicht richtig fühlt, und schon bald trägt er Kostüm, Ohrclips zum Kurzhaarschnitt, schminkt sich die Lippen – und seine Freundin bleibt bei ihm.

Der Kanadische Regisseur Xavier Dolan ist erst 24 und legt mit "Laurence Anyways" (Laurence wie auch immer) doch schon seinen dritten Spielfilm vor. Das ist nicht nur bemerkenswert, weil er so jung das Selbstbewusstsein besitzt, seine Geschichten groß zu erzählen. Er tut das eigenwillig, mit unverbrauchten Bildern. Und er erzählt von Menschen, die anders leben als die Mehrheit, dabei glücklich sind und manchmal verzweifelt, die auf Toleranz stoßen und auf Verachtung und doch keine Wahl haben, als zu leben, was sie fühlen.

Schon 2009, in seinem ersten Film "I killed my Mother", hat er von so einem Menschen erzählt und den 16-jährigen Hubert, der schwul ist und ein Teenager, der seine Mutter hasst, gleich selbst gespielt. Ein Jahr später ließ er "Herzensbrecher" folgen, eine Dreiecksgeschichte, in der sich ein Jüngling in eine langjährige Freundschaft drängt, einem Mann und einer Frau den Kopf verdreht.

Mit der Geschichte einer Geschlechterwandlung geht Dolan scheinbar noch einen Schritt weiter, doch erzählt er in "Laurence Anyways" überraschend wenig davon, welche psychischen Phasen seine Hauptfigur durchmacht. Er interessiert sich vielmehr dafür, wie ein Paar das Anderssein aushält und wie es reagiert, wenn der Druck zu hoch wird. Im schrillen Gewand des Queerfilms erzählt er so eine gültige Geschichte, in der das Geschlecht nichts mehr festlegt, dadurch bei aller Schrillheit und Irritation letztlich unwichtig wird. Fred und Laurence stehen einander bei. Sie ist da, als er zum ersten Mal in Frauenkleidern zum Unterrichten in die Schule geht. Doch sie werden sich auch trennen, erschöpft von einem Weg, der einsam macht. Und erschöpft voneinander.

Dolan filmt mit Freude an üppigen Bildern, an bunten Kostümen, am Spiel mit Konventionen und deren Brechung. Er tut das zu Lasten der Stringenz, erzählt seine Geschichte ausufernd, manchmal kindisch, in vielen Schleifen. Das schadet nicht, denn der Zuschauer kann sich umsehen in dieser Welt der sexuellen Irritationen und die zutiefst menschliche Geschichte eines Paares verfolgen, das zu leben versucht, was kompromisslose Liebe bedeutet. llll

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort