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Kleine Kulturgeschichte des Klopapiers Von der Rolle

Die Deutschen lieben Toilettenpapier. Wie sehr, wird in diesen Tagen deutlich. Tatsächlich lässt sich ein Leben ohne kaum vorstellen. Die Kulturgeschichte des Klopapiers aber zeigt, dass es auch andere Zeiten gegeben hat.

Von der Rolle - eine Kulturgeschichte des Klopapiers
Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Was das Klopapier angeht, sind die Deutschen derzeit total von der Rolle. In den meisten Supermärkten oder Drogerien ist kein Blatt mehr zu bekommen. Die Leute nehmen auch keins vor den Mund, kommt es, was häufig geschieht, zum Streit um kümmerliche Reste in ansonsten leergefegten Regalen. In der Corona-Krise liegen halt auch die Nerven blank. Jedenfalls boomt das Geschäft mit dem Geschäft: Die Nachfrage nach dem Hygieneartikel ist im Vergleich zum Vormonat um sagenhafte 700 Prozent gestiegen.

Die derzeitige Klopapier-Verknappung ist übrigens kein neues Phänomen: In Japan kam es schon 1973 während der Ölkrise zu einer „Toilettenpapier-Panik“. Damals wie heute führte das Gerücht, die Lieferung könnte eingeschränkt werden, zu Hamsterkäufen.

Schon haben findige Programmierer im Internet die Seite „reichtmeinklopapier.de“ eingerichtet, wo jeder anhand der noch vorhandenen Rollen, der im Haushalt lebenden Personen sowie der Anzahl der jeweils zu erwartenden Besuche des stillen Örtchens ausrechnen kann, wann der Punkt gekommen ist, seiner hilflosen Empörung über die bescheidene Lage durch Wörter aus der Fäkalsprache Ausdruck zu verleihen.

Während sich die Frage „wie lange noch?“ also relativ zügig beantworten lässt, muss man bei „wie lange schon?“ etwas weiter ausholen. Wie lange gibt es eigentlich bereits Toilettenpapier? Und was haben die Menschen eigentlich gemacht, als es noch nicht existierte?

Klopapier zählt aus nachvollziehbaren Gründen zu den ältesten Wegwerfartikeln der Menschheit. Erstmals erwähnt wird seine Verwendung im 6. Jahrhundert nach Christus im fernen China. Allerdings bleibt der Luxus, sich auf diese Art zu reinigen, lange allein dem Kaiser vorbehalten. Denn Papier ist zu dieser Zeit überaus kostbar: Und es ist in erster Linie dazu bestimmt, das aufzunehmen, was dem Geist des Menschen entspringt, nicht etwa, was dessen Körper verlässt – auch wenn Papier vermutlich schon lange vorher im Reich der Mitte erfunden worden war. Archäologen datieren die ältesten Überbleibsel auf das Jahr 200 vor Christus. Der Erste, der das Herstellungsverfahren beschreibt, ist der Eunuch Cai Lun, im 1. Jahrhundert nach Christus Beamter des chinesischen Kaisers He.

Zu dieser Zeit beschriften die Römer tausende Kilometer weiter westlich noch in rauen Mengen Steine, was deren anderweitige Verwendung überschaubar macht. Auf dem Klo schrubben Cäsaren und Senatoren ihren Hintern mit einem Schwamm, der an eine Stock gebunden ist und für die Benutzung durch den nächsten in Salzwasser getunkt wird. Immerhin eine frühe, wenngleich wenig zur Nachahmung reizende Form der Feuchtigkeitshygiene, wie überhaupt Wasser, wo vorhanden und möglichst fließend, seit jeher die wohl simpelste Form der Reinigung auch dieser Körperzone darstellt.

In vielen Ländern Südostasiens und auf der arabischen Halbinsel etwa säubern sich Menschen nach dem Toilettengang noch heute so, weshalb es in manchen Kulturen tabu ist, die linke Hand zu reichen.

Die Germanen hingegen, aus hartem Holz, aber anders als heute keineswegs ein High-Tech-Volk, scheren sich einen Dreck um jedwede Feinheiten, verwenden überwiegend kratziges Stroh, Laub oder die „Pestwurzenblätter“ einer Pflanze aus der Familie der Korbblüter, die in Bayern noch heute unter dem Namen „Arschwurzen“ geläufig ist.

Daran ändert sich bis weit ins Mittelalter wenig, die einzige Soft-Variante stellt die Benutzung von Moos dar: Archäologische Grabungen im unterfränkischen Heimbuchental förderten unlängst in einer alten Burganlage unterhalb des ehemaligen Abort-Erkers die organischen Reste faustgroßer Moosballen zutage. Glaubt man alten Überlieferungen, griffen die Leute auf dem Land, wenn sonst nichts zur Hand war, auch mal zu umherlaufendem Federvieh. Not sollte eigentlich erfinderischer machen.

Wieder sind die Chinesen der Zeit weit voraus. Ende des 14. Jahrhunderts, als man in Europa gerade Wolle oder Lumpen fürs Finale der Defäkation entdeckt, stellen sie jährlich bereits 720.000 Blätter Klopapier für den kaiserlichen Palast her, wobei sich das nach weniger anhört, als es tatsächlich ist. Ein Blatt misst etwa 60 mal 90 Zentimeter, man reißt davon bei Bedarf handliche Stücke ab.

Es dauert dann noch einmal ein halbes Jahrtausend, bis jemand auf die glorreiche Idee kommt, Klopapier auf Rollen zu wickeln. Diese bahnbrechende Erfindung verdankt die Menschheit der amerikanischen Scott Paper Company aus Philadelphia. Noch heute wird unter diesem Markennamen Toilettenpapier produziert.

Doch auch Scott profitiert von früheren Fortschritten in der Abteilung „Wisch&Weg“, die langsam, aber stetig ins Rollen gekommen sind und den Lokus erobert haben. Inzwischen sind Druckerzeugnisse durch die verbilligte Herstellung von Papier aus Holz und Zellstoff als Rohmaterialien anstelle von Lumpen für viele Zeitgenossen erschwinglich geworden. Man muss nicht einmal lesen können, um zu begreifen, wozu eine Zeitung noch nützlich sein könnte.

Ab 1857 bietet der New Yorker Unternehmer Joseph C. Gayetty einzelne, in Aloe getränkte Blätter in einer Schachtel an. Sie werden als medizinisches Mittel gegen Hämorrhoiden gepriesen – und sind entsprechend teuer: Tausend Blatt, jedes mit dem Wasserzeichen „J C Gayetty N Y“ versehen, kosten einen Dollar. Das sind mehr als 30 Dollar nach heutiger Kaufkraft. Nur wenige können sich das leisten. Trotzdem gilt Gayetty als Wegbereiter des modernen Toilettenpapiers.

In Deutschland behilft man sich noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg im doppelten Wortsinn recht notdürftig. Auf vielen tristen Aborten erwartet den Benutzer nach wie vor kleingeschnittenes Zeitungspapier. Überhaupt ist der Umgang mit dem Akt der Ausscheidung mit Scham und Skrupeln behaftet. Das „Örtchen“ befindet sich meist außerhalb der Wohnung auf der „halben Treppe“, wenn nicht gar außer Haus, im Garten oder im Hinterhof. Das Wort „Klopapier“ kommt an der Ladentheke den wenigsten leicht über die Lippen, es sei denn, sie litten an akuter Diarrhö.

Das bringt den cleveren deutschen Unternehmer Hans Klenk auf eine Idee: Zuerst bildet er aus den ersten Silben seines Vor- und Nachnamens kurzerhand eine Marke, die weltbekannt werden wird, dann empfiehlt er seinen Kunden: „Verlangen Sie eine Rolle Hakle, dann brauchen Sie nicht Toilettenpapier zu sagen!“

Schon in den 20-er Jahren hat der Schwabe in Ludwigsburg seine mittlerweile in Düsseldorf ansässige Firma gegründet. Der Clou bei seinen Rollen ist die garantierte Blattzahl. Aber es ist noch ein sehr, sehr weiter Weg, bis sich die Deutschen mit einem Statement zu diesem Produkt bekennen, wie es eindeutiger nicht sein kann: Umhäkelt auf der Hutablage im Auto, nicht selten in den Farben schwarz, rot gelb/gold. Ende der 50-er Jahre erfasst das Wirtschaftswunder tatsächlich auch den hintersten Winkel der Westdeutschen: Weiches Tissue-Papier ersetzt allmählich das raue Krepp. In den folgenden Jahrzehnten wird die Rolle erst zwei-, dann dreilagig, und als höchstes der Gefühle erobert in den 80er Jahren das feuchte Toilettenpapier den Markt.

Nur in der DDR dominierte weiter das rubbelige Krepp. „Warum ist das Klopapier im Arbeiter- und Bauernstaat so rau? Damit auch der letzte Arsch rot wird“, witzelte man „drüben“. Noch dazu war die Ware hauchdünn und rar: Deshalb wurden die Mitarbeiter des „Staatlichen Kontors für Papier und Bürobedarf“ 1968 aufgerufen „den Verbrauch von Toilettenpapier nach Abrissen pro Tag anzugeben“.

Heute ist Toilettenpapier ein High-Tech-Produkt: Es duftet, ist bedruckt, erst nassfest beim Gebrauch und anschließend schnellauflösend in der Kanalisation. Stolze 170 Rollen Standard-Toilettenpapier verbraucht jeder Bundesbürger geschätzt pro Jahr. Übertroffen werden sie dabei von Amerikanern, Schweizern oder Finnen. Auch die Nutzung ist individuell: Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen das Papier vor Gebrauch faltet und eine Minderheit es knüllt, wobei sich ein kleiner Prozentsatz spontan entscheidet. Auch Im internationalen Vergleich nehmen die faltenden Deutschen eine Spitzenposition ein, zumal in Südeuropa, Frankreich und den USA tendenziell geknüllt wird.

Aufgrund der innigen Verbindung, die Mensch und Papier in einem sehr privaten Moment tagtäglich eingehen, existiert sogar ein internationaler Tag des Toilettenpapiers. Der 26. August ist auch als „Toilet Paper Day“ bekannt und dient dazu, jährlich an die Nützlichkeit und Unentbehrlichkeit des Klopapiers zu erinnern. So gesehen ist in diesen Wochen jeder Tag ein Tag des Toilettenpapiers. Immerhin ist die Hoffnung nicht unbegründet, dass es am 26. August wieder genug davon gibt.

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