Wuppertal Von der Heydts Schätze vor Meereskulisse

Wuppertal · In einer großartig inszenierten Ausstellung breitet das Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum aus, was seine beiden Namensgeber gesammelt haben. Dazu zählen Bilder von Delacroix, Beckmann und Skulpturen aus Asien und Afrika.

Das Von-der-Heydt-Museum zeigt in seinen großen Ausstellungen nicht einfach Kunst. Es bindet Bilder und Objekte immer auch in ihren geschichtlichen Zusammenhang ein. Das gelingt umso besser, je mehr Details dazu überliefert sind. In dieser Hinsicht ist die neueste Schau ein Glücksfall. Das Leben Eduard von der Heydts (1882-1964) lässt sich durch zahllose Schwarzweiß-Fotografien so gut belegen, dass sich das Ambiente mancher seiner Lebensstationen sogar nachbauen lässt.

In Wuppertal hat man weder Mühen noch Kosten gescheut, um ehemalige Wohnsitze des Freiherrn lebendig werden zu lassen. Manche Räume bilden genau das ab, was die Fotografien von einst vorgeben. An den Wänden hängen die Bilder und stehen die Skulpturen, die sich einst in von der Heydts Hotel auf dem Monte Verità in Ascona oder in seinem Zandvoorter Café Muluru befanden. Um das Hotel nachzuempfinden, hat man eigens originalgetreue Tische aufgestellt und die Bilder aus dem Besitz des Museums möglichst so an den Wänden arrangiert, wie sie damals hingen. Im Saal, der den Ausstellungsraum des Cafés in Zandvoort wiedergibt, bietet sich dem Besucher dank Großdias ein Blick durch die Fenster aufs Meer. Im Inneren kann man sich an den abendländischen und außereuropäischen Skulpturen erfreuen, die von der Heydt einst am Originalschauplatz aufgestellt hatte. Später schenkte er die Bilder dem Wuppertaler Museum, die Skulpturen gingen an das Züricher Museum Rietberg, woher sie nun als Leihgaben kamen.

Der Bankier Eduard von der Heydt hat niemals so viele Werke seiner Kollektion vereint gesehen, wie man sie nun in Wuppertal erleben kann. Der Grund liegt darin, dass er oft seinen Standort wechselte, und das zu Zeiten, als Kriege und Diktaturen einen Umzug mit Sack und Pack oft unmöglich machten. Von Elberfeld, wo sein Vater August das heutige Von-der-Heydt-Museum gegründet hatte, ging er nach Amsterdam und eröffnete dort sein erstes Privatmuseum. Er zog weiter nach Zandvoort, dann nach Berlin, schließlich nach Ascona, wo er sich von Ideen der Lebensreformer begeistern ließ. Ein Schatten fiel auf seine Biografie, als er, inzwischen Schweizer Bürger, in Finanzgeschäfte für den deutschen militärischen Nachrichtendienst während des Zweiten Weltkriegs verwickelt war. 1948 musste er sich dafür vor einem schweizerischen Militärgericht verantworten, er wurde aber freigesprochen.

Eduard von der Heydt hatte von seinem Vater August bereits eine Kunstsammlung geerbt. Er vergrößerte sie auf mehr als 3000 Objekte. Und da man so viel Kunst in keinem Keller unterbringen kann, hatte er zeitweise 70 Museen in aller Welt mit Leihgaben versorgt. In Wuppertal ist davon nur ein Bruchteil zu sehen, allerdings ein exquisiter. Im ersten Obergeschoss trifft man überwiegend auf Kunst, die der Vater erworben hatte. Als einer der ersten Sammler expressionistischer Malerei kaufte er gleich eines der aus heutiger Sicht kapitalen Stücke: Ernst Ludwig Kirchners "Frauen auf der Straße" von 1914, die Darstellung einer Gruppe ausdruckslos blickender Prostituierter, die nachts in Berlin unterwegs sind. Aus einer Pariser Galerie brachte von der Heydt senior 1911 Picassos Bild "Akrobat und junger Harlekin" für sein Elberfelder Kunsthaus mit - der weltweit erste Erwerb eines Picassos für ein Museum.

Im zweiten Obergeschoss läuft man durch jene nachinszenierten Räume, die der Clou dieser Ausstellung sind. Auch dort begegnet man Picasso, dazu Cézanne, Munch, Toulouse-Lautrec und Beckmann. Eines der packendsten Bilder ist dramaturgisch geschickt ans Ende gehängt: Eugène Delacroix' großformatiges Gemälde "Löwin, ein Pferd zerfleischend", entstanden um 1844. Die Konturen der Tiere heben sich farblich kaum von ihrer Umgebung ab, Kampf erscheint hier wie ein unauslöschlicher Bestandteil der Natur.

Wer nun immer noch nicht genug hat, den lädt das Museum ein zu einem Rundgang durch Säle im Zwischengeschoss, das unmittelbar von der Kasse aus zu erreichen ist. Auch das Panorama, das sich dort bietet, ist Eduard von der Heydt zu danken. Am Ende seines Lebens schenkte er der Stadt Wuppertal fünf Millionen D-Mark, auf dass die Sammlung durch Käufe aus Zinserlösen weiter wachse. James Ensor und Francis Bacon sind in dieser Abteilung mit Bildern vertreten, überhaupt eine Menge hochrangiger Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts.

Man denkt ein wenig an Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, der Theodor Fontanes liebevoller Vorstellung zufolge auch nach seinem Tod die Kinder mit Birnen von seinem Baum beglückte.

(B.M.)
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