Von-der-Heydt-Museum Wuppertal Als die Malerei Konkurrenz bekam

„Fotografie und Impressionismus" ist das spannende Thema einer Ausstellung im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum. Sie zeigt, wie die verschiedenen Medien ihre Vorteile ausspielen.

„Seerosenpflücken" von Peter Henry Emerson, Platindruck von 1886.

„Seerosenpflücken" von Peter Henry Emerson, Platindruck von 1886.

Foto: bpk/Staatsgalerie Stuttgart

Die Erfindung der Fotografie im Jahr 1839 hat vorweggenommen, was im folgenden Jahrhundert immer wieder geschah, wenn ein neues Medium einem alten den Rang streitig machte. Damals sahen sich die Maler in ihrer Existenz bedroht, später löste – um nur ein Beispiel zu nennen – die CD die Vinylplatte ab, bis sie sich ihrerseits gegen die Streaming-Dienste behaupten musste, während die Vinylplatte heute schon wieder Zuspruch findet.

Eine Ausstellung im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum veranschaulicht einen solchen Wettstreit anhand der Fotografie, beschränkt sich allerdings auf deren frühe Zeit, in der sie mit der Malerei wetteiferte. Der jahrelange Kampf des Kölner Galeristen Rudolf Kicken, der sich in den 1970er Jahren für einen ermäßigten Steuersatz für künstlerische Fotografie einsetzte, ist in Wuppertal ebenso ausgespart wie der Siegeszug des Genres in jüngerer Zeit, als Struth, Ruff und Gursky ihren Vorgängern in den USA folgten und der Kunstfotografie zu Weltruhm verhalfen. Das alles von einer einzigen Ausstellung zu erwarten, wäre allerdings zu viel verlangt.

Das Von-der-Heydt-Museum zeigt exemplarisch, wie zwei Medien einander herausfordern, aber auch voneinander lernen und im Übrigen ihre jeweiligen Vorteile ausspielen: die Fotografie ihre Wirklichkeitsnähe, die Malerei ihre Kraft zum Idealisieren, zu einer tieferen Durchdringung der Phänomene an der Oberfläche. Die Fotografen setzten in der Frühphase ihres Metiers stark auf Technik, erprobten, was möglich ist, schielten aber bei der Auswahl der Motive noch spürbar auf die Malerzunft. Der deutsch-französische Fotograf Édouard Baldus hat seine Ansicht von „Paris, Blick auf die Pont d'Arcole und das Hôtel de Ville" (um 1860) ähnlich komponiert, wie manche seiner malenden Zeitgenossen das Motiv in Szene gesetzt hätten. Allerdings erlaubt ihm eine spezielle Fototechnik einen brillantere Wiedergabe von Details.

Paul Signac dagegen legt in seinem Gemälde „Segelboote im Hafen von Saint-Tropez" keinerlei Wert auf Detailtreue. Anders als Baldus will er nicht dokumentieren, sondern eine Stimmung erzeugen mit harmonierenden Farben, die unter diffusem Licht ihre Wirkung entfalten.

„Notre Dame – die Insel Saint Louis vom Quaie de la Tournelle aus gesehen im Sonnenlicht", Paul Signac, 1885.

„Notre Dame – die Insel Saint Louis vom Quaie de la Tournelle aus gesehen im Sonnenlicht", Paul Signac, 1885.

Foto: Von-der-Heydt-Museum

Wenn Gustave Le Gray das „Mittelmeer mit dem Mont Agde" festhält, erweist er sich darin zwar technisch als Fotopionier, weil er ein Positiv durch zwei Negative belichtet (“Sandwich-Negativ"), so dass durch unterschiedliche Belichtungszeiten dramatische Meeresansichten entstehen. Doch wirkt eine solche Komposition im Vergleich zu Monets „Blick auf das Meer" von 1888 konstruiert. Monets Ansicht mit der braunen Landzunge, die sich unter grün-gelb-violettem Himmel ins kaltblaue Meer streckt, scheint zu atmen, Gustave Le Gray dagegen beindruckt nur.

Immerhin aber hat die Fotografie früh auch die Landschaft, die Natur entdeckt, und abseits des Künstlerischen fand die kommerziell ausgerichtete Porträtfotografie ihr Publikum.

Im „Bürgersaal" stellt das Museum eindrucksvoll vor, was es selbst an Kunst des Impressionismus zu bieten hat: van Goghs erdenschweres „Kartoffelsetzen" zum Beispiel, Bonnards bezauberndes „Esszimer", Gauguin und Cézanne, Manet und Degas. Am Beispiel von Degas hätte man auch in jenem Teil der Schau, der Fotografie und Malerei einander gegenüberstellt, veranschaulichen können, wie die Fotografie unmittelbar auf die Malerei eingewirkt hat. Degas schnitt gern an den Seiten seiner Bilder Figuren und Gegenstände optisch ab und verpasste den Darstellungen damit einen Schuss Modernität.

Der Wettkampf zwischen Fotografie und Malerei, wie ihn das Von-der-Heydt-Museum schildert, ist heute auf dem Gebiet der Kunst zugunsten der Malerei entschieden. Henri Cartier-Bresson, Bernd und Hilla Becher und Andreas Gursky mögen vielen bekannt sein. Namen von van Gogh über Matisse und Dalí bis zu Picasso und Beuys aufzuzählen, dürfte jedoch den meisten weitaus leichter fallen.

Info Die Ausstellung ist zu sehen bis 8. Januar 2023 im Museum in Wuppertal-Elberfeld, Turmhof 8; Di. - So. 11 - 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr; Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 10 Euro.

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