Von Beruf Widerständler

Dokumentation Der Künstler Ai Weiwei

Wer diesen Film gesehen hat, wird das Werk des chinesischen Künstlers Ai Weiwei mit anderen Augen betrachten. Die Filmemacherin Alison Klayman begleitete den rastlosen, aber stets gelassen auftretenden Regimekritiker drei Jahre lang. Die Dokumentation "Never Sorry" zeigt Gespräche mit Weggefährten und Interviews mit der Mutter Weiweis. Man sieht Ai Weiwei bei der Vorbereitung einer Retrospektive in London, bei Familienfeiern und in seinem Atelier.

Vielleicht war der eine oder andere Kunstliebhaber in der letzten Zeit etwas ermüdet von der Dauerpräsenz des 54-Jährigen. Womöglich erschloss sich vielen die Leistung des bloggenden und twitternden Prominenten nicht mehr, weil das Rauschen in dieser Kunst vom Eigentlichen ablenkt. Der Film dauert 90 Minuten, und nach einer Viertelstunde beginnt man trotz aller Vorbehalte diesen Mann zu begreifen: Warum er seine Kunst irgendwann in den Dienst des Dagegegenseins gestellt hat. Und dass er der Inbegriff des zeitgenössischen Widerständlers ist. Jeden seiner Schritte lässt Ai Weiwei filmen – einerseits aus Sicherheitsgründen, andererseits, um das Dokumentierte später dem Werk einzuverleiben. Einmal tritt er vor die Nachtwache, die vom Staat beauftragt im Auto sitzt und ihn kontrolliert. Der junge Kerl wirkt völlig verunsichert, als Ai Weiwei ihn fragt, warum er hier sitze. Er fährt weg, und man weiß nicht, wer einem mehr leid tun soll: der Künstler oder sein Bewacher.

Sein Lebensmotto sei es, "eine kleine Sache am Tag zu tun, die beweist, dass Gerechtigkeit existiert". Wie gefährlich solche scheinbaren Petitessen werden können, zeigen die Festnahme Ai Weiweis im April 2011 sowie der darauf folgende Hausarrest. Die Hauptfigur von "Never Sorry" tritt weniger als Künstler denn als Nervensäge auf. Ein schwieriger Job. Man muss froh sein, dass ihn jemand freiwillig macht. llll

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort