Virtuose Wirrköpfe beim Traumzeit-Festival

Von der Mondscheinsonate zum Ententanz sind es nur ein paar Takte, und auf der Bonanza-Ranch wird der Säbeltanz zelebriert. Anhänger musikalischer Reinheitsgebote waren gut beraten, am Wochenende einen Bogen um das Traumzeit-Festival im Duisburger Landschaftspark Nord zu machen. Mit Helge Schneider und Chilly Gonzalez hatte Festivalleiter Tim Isfort ein deutsch-kanadisches Gipfeltreffen des musikalischen Humors organisiert, das Stilgrenzen und Logik wie erwartet für eine Stunde außer Kraft setzte.

An zwei Konzertflügeln wechselten die Wirrköpfe ständig zwischen ernsthaftem Dialog und Klamauk, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie mit- oder gegeneinander spielen sollten. Auch wenn nicht in jeder Sekunde die Funken sprühten und manch spontaner Einfall im Klischee endete – die Musikalität, die Reaktionsschnelligkeit und Freiheit im Umgang mit Instrument und Material begeisterten.

In seiner faszinierenden und fordernden Abfolge von Kontrasten war der Auftritt des Klavierduos ein Spiegelbild des gesamten Festivals, das auf fünf Bühnen immer größere Gegensätze zu vereinen versucht. Während Shantel mit seinem Bucovina Club Orkestar in der Gießhalle für Fanmeilen-Atmosphäre nach Balkan-Art sorgte, bezauberte in der Kraftzentrale der schwedische Songwriter José González mit sanften Liedern zur Gitarre.

Hier spielte das neunköpfige Ensemble von Jean Marie Machado Kammermusik, dort überraschte die niederländische Gruppe De Kift mit kraftvoller Blasmusik zwischen Pop und Punk. Wer mit offenen Ohren durch den Landschaftspark ging, konnte beglückende Entdeckungen machen oder aber durch die schlichte Fülle der Konzerte zum rastlos Suchenden werden.

Mit dem zweiten Festival unter seiner Leitung bestätigt Tim Isfort den Eindruck des Vorjahrs: Er steht für eine Traumzeit, die bunter, vielfältiger und unübersichtlicher wird, verweigert sich aber dem Publikumswunsch, beim Träumen an die Hand genommen zu werden. Ein Festival also für den mündigen Träumer.

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