Düsseldorf Verleger, Terrorist, Autor – zum Tode von Peter-Paul Zahl

Düsseldorf · Wir hatten uns vor der Düsseldorfer Kunstsammlung getroffen. Das war nur ein paar Schritte von jener Stelle entfernt, an der Peter-Paul Zahl 1972 beinahe zum Mörder geworden wäre. Seit einigen Jahren schon war er, der Berliner APO-Aktivist, Kleinverleger, Drucker und Dichter – polizeilich überwacht worden. Und dann gab es in Düsseldorf diese Personenkontrolle, der sich Zahl entzog, der flüchtete und schließlich wild um sich schoss. Ein Polizist ist damals schwer verletzt worden.

Als Zahl uns davon viele Jahre später noch einmal erzählt, ist es, als würde er von einem ihm fremd gewordenen Menschen sprechen. Er konnte nicht mehr begreifen, wozu der junge Mann einmal imstande gewesen ist. Peter-Paul Zahl hat für seine Tat büßen müssen: Zu vier Jahren Haft verurteilte ihn 1973 das Düsseldorfer Landgericht wegen "gefährlicher Körperverletzung"; aber nur ein Jahr später legte der Bundesgerichtshof nach. Diesmal lautete die Anklage "doppelter Mordversuch" und das Urteil 15 Jahre Haft. Es gab heftige Proteste gegen das zweite Urteil, gegen einen Träumer, wie manche sagten, einen "engagierten Kämpfer der Freiheit", wie es Erich Fried nannte.

Die Haft – die Zahl 1982 vorzeitig verlassen konnte – hat ihn zum Schriftsteller gewandelt. Noch hinter Gefängnismauern war dem kraftvollen Knastpoeten der Bremer Förderpreis für Literatur zu gesprochen worden; zudem lernte er in seiner Zelle in Berlin-Moabit Ljubo kennen, den Kölner Domschatzräuber von 1975. Seine Geschichte hat Zahl zu einem phantasievollen Schelmenroman inspiriert – "Der Domraub" von 2002. "Mich interessieren eben alle, die am Galgen hängen und kurz daran vorbeischrammen", sagte Zahl und meinte damit natürlich nicht allein seine literarischen Figuren.

Die vielen Jahre in kleinen Zellen – etliche davon in verschärfter Einzelhaft – haben in Peter-Paul Zahl die Unruhe geweckt. Als er rauskommt, sucht er sein Glück in Italien, auf Grenada, in Nicaragua und findet es schließlich in Jamaika. Er hat dort ein kleines Ferienhaus, das er vermietet. Und er schreibt; vor allem erfindet er den schwarzen Privatdetektiv Ruffneck, der auf der Insel ermittelt und der zu einer der wichtigsten Figuren der jamaikanischen Gegenwartsliteratur wird. Auch ein karibisches Kochbuch entsteht sowie "Ananzi ist schuld" – ein Buch mit Gute-Nacht-Geschichten Peter-Paul Zahl, von der südlichen Sonne stets gebräunt, hatte auf Jamaica sein Paradies gefunden, in dem er sich schreibend das erträumte, was er in Deutschland nicht finden konnte: einen moralisch grundierten Anarchismus, wie er ihn im Hitler-Attentäter Johann Georg Elser ausmachte. Ihm hat Zahl ein Drama gewidmet.

In seinem Paradies, in Port Antonio, ist Peter-Paul Zahl jetzt gestorben, im Alter von 66 Jahren.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort