Premiere bei den Festspielen Klingende Machtspiele in Salzburg

Andreas Kriegenburg inszeniert Verdis Oper „Simon Boccanegra“ bei den Salzburger Festspielen.

Luca Salsi als Simon Boccanegra (M.) in der Salzburger Verdi-Premiere.  Foto: dpa

Luca Salsi als Simon Boccanegra (M.) in der Salzburger Verdi-Premiere. Foto: dpa

Foto: dpa/Barbara Gindl

(w.g.) Mit „Simon Boccanegra“ erlebte der große Giuseppe Verdi eine seiner größten Pleiten, und auch wenn mancher Musikwissenschaftler die Oper heutzutage gern gesundbetet oder epochale Düsternis in ihr entdeckt – die Mühsal, die das Werk Fachleuten und Laien aufbürdet, ist unbestreitbar. Die Handlung darf man krude nennen. Zu ihrer Rettung führen die Experten an, dass Verdi absichtlich eine verschlungene Story aus dem 14. Jahrhundert wählte, um brisante politische Wirren seiner Zeit – das als Risorgimento bekannte Ringen Italiens um Einheit – über Bande anzuspielen.

Schlimmer wiegt für die Kulinariker, dass Verdi im „Simon“ eine kompositionstechnische Vollbremsung unternimmt. Der musikalische Juwelierladen aus Belcanto und Koloraturgefunkel hat nur noch minutenweise geöffnet. Zwar wird das Orchester zur eigenständigen dramatischen Person aufgewertet, doch dass ausgerechnet der Titelheld keine einzige prominente Arie singt, das haben ihm die am Pomp des Repräsentativen seit je orientierten Italiener nie verziehen. Die Uraufführung 1857 in Venedig fiel komplett durch, und auch die Zweitfassung (1881 in Mailand) war das Gegenteil eines Kassenschlagers.

Nun wären die Salzburger Festspiele der rechte Ort, um den „Simon“ einer Vitalkur zu unterziehen. Diesen Nachweis erbringen die Wiener Philharmoniker, die eigenständig (und eher undurchschaubar geleitet von Valery Gergiev) die Kontrolle über die Verläufe übernehmen. Das Filigrane, Subtile erscheint bei ihnen ebenso spannend wie die militärische Grandezza der Massenszenen; die Echoräume des Politischen und Höchstpersönlichen erzeugen eine sehr dynamische Unaufhaltsamkeit des Untergangs: Ein Mann kommt an die Macht, aber die Eifersüchteleien um seine Tochter kosten ihn das Leben. Gergievs Anteil? Gering, er hatte den Kopf meist tief in der Partitur.

Auch sängerisch ist am Premierenabend alles im Lack. Luca Salsi stattet den Titelhelden mit jener staatsmännischen Majestät aus, die sich den Umschlag ins Zärtlich-Private nicht versagt. Marina Rebeka als seine Tochter Amelia Grimaldi imponiert am vokalen Firmament mit herrlichen, etwas stark aufgehellten Regenbogenfarben, Charles Castronovo als ihr stürmischer, aber ideologisch nicht unkorrigierbarer Liebhaber Gabriele Adorno schwärmt und schmachtet mit schönem Pathos. René Pape als Simons alter Gegenspieler Fiesco gefällt als wunderbar fieser Möpp, der am Ende die Kurve zur Versöhnung kriegt.

Die Inszenierung von Andreas Kriegenburg baut die Riesenbreite mit machtaffirmativen Betonplatten (Bühne: Harald Thor) zu: „Simon“ als politischer Kopf, der fortwährend gegen die Wand läuft, als ohnmächtige Etüde über alte Seilschaften, Rivalität und aristokratische Machtvererbung. Leider findet sich auf dieser Cinemascope-Bühne kaum ein Ort für Intimität. Jeder Dialog erlangt sofort eine Öffentlichkeit, gegen die Verdi doch gerade ankomponiert hat.

Jubel für alle.

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