Ballett-Premiere in der Rheinoper Tanz als Herzenswunsch

Düsseldorf · Gelungene Uraufführungen von Demis Volpi und Juanjo Arqués durch das Ballett am Rhein: Der Abend geht auch auf die Bedrängnisse durch die Corona-Krise ein.

 In "Spectrum" von Juanjo Arqués ringen die Tänzer mit ihrem Körper und ihrem Können. Foto: Bettina Stöß

In "Spectrum" von Juanjo Arqués ringen die Tänzer mit ihrem Körper und ihrem Können. Foto: Bettina Stöß

Foto: DOR/Bettina Stöß

Einen Tag lang wurde telefoniert, dann stand das Projekt Doppelpremiere. Die neue Coronaschutzverordnung, höchstens 250 Zuschauer zuzulassen, erreichte die Deutsche Oper am Rhein drei Tage vor einem neuen Ballettabend. Sie hatte die ursprünglich 1288 Plätze im Saal bereits auf 450 reduziert, als Kultur wieder stattfinden und im September die neue Spielzeit unter strengen Vorkehrungen beginnen durfte. Jetzt, da die Zahl der Neuinfektionen wieder steigt, musste die Belegungsgrenze ein weiteres Mal gekappt werden.

Den Abend also absagen? Zuschauer ausladen? „Wir könnten die Premiere am Donnerstag zwei Mal bringen“, schlug der neue Ballettdirektor Demis Volpi vor. „Ich frage die Compagnie.“ Die Tänzer wollten, die Düsseldorfer Symphoniker, die Beleuchter, alle wollten diesen Premierenabend möglich machen. Nach vielen Telefonaten gelang Opernmitarbeitenden innerhalb weniger Stunden das Kunststück, das Publikum auf zwei Termine am selben Abend aufzuteilen. Die Bereitschaft aller Beteiligten, dies Kulturerlebnis um nichts in der Welt herzugeben, darf in diesen besonderen Zeiten als starkes Signal verstanden werden, als Ausdruck eines Herzenswunsches. In gewisser Weise sind auch die Zuschauer Teil des kollektiven Gleichklangs geworden, von dem am Premierenabend die Kunst erzählt.

Tanz als höchste aller Bewegungskünste fordert eine immense Kraftanstrengung, um den Ansprüchen der Virtuosität zu genügen. Die Zusage der Compagnie, zwei Mal nacheinander aufzutreten, ist also für sich genommen schon eine Glanzleistung. Zumal zwischen der ersten und der zweiten Vorstellung gerade einmal 45 Minuten lagen und es somit kaum Zeit zur Regeneration gab. Dennoch war den Tänzern nicht die Spur einer Erschöpfung anzumerken. Sie meisterten die beiden Uraufführungen auch in der 20-Uhr-Vorstellung mit Energie, Feingefühl und auf künstlerisch hohem Niveau.

Thematisch stand der Abend im Zeichen der Pandemie-bedingt neuen Anforderungen an die Tanzkunst, die plötzlich ohne Nähe, ohne Berührung auskommen muss, so als hätte man sie ihrer Natur beraubt. Das klingt nach Schwermut und Verzweiflung. Davon jedoch ließen sich die Protagonisten nicht leiten. Sie haben ein helles Kunsterlebnis kreiert, ohne indes ihre Sorgen zu leugnen.

„Spectrum“, das erste Stück des Abends, stammt von dem spanischen Choreografen Juanjo Arqués. In seine Arbeit sind die Erfahrungen der Tänzer während des Lockdowns eingeflossen. In herrlichen bunten Kostümen ringen die jungen Künstler wütend mit ihrem Körper und ihrem Können, verzehren sich nach ihren Partnern und einem kreativen Dialog. Arqués hat zu der Minimal-Musik des Komponisten Marc Mellitis wundervolle Pas de deux emporgehoben, nach einer langen Zeit der Einsamkeit.

Die zweite Uraufführung „A simple piece“ ist eine Choreografie von Ballettchef Demis Volpi. Auch er hat sich mit Caroline Shaw für eine zeitgenössische Komponistin entschieden. Ihr viersätziges A-cappella-Stück „Partita For 8 Voices“ ist ein Genuss zwischen Murmeln und Sprechen, rührenden Melodien aus ferner Zeit und merkwürdigen Dissonanzen. Volpi entwirft dazu ein kraftvolles, beinahe archaisches Stück, das den Tänzerinnen und Tänzern synchrone Perfektion abverlangt, was diese mit Bravour umsetzen.

Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus für einen tollen Abend.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort