Öko-Debatten im Schauspielhaus Theater um den Klimawandel

Düsseldorf · Uraufführung von Volker Löschs Stück „Volksfeind for Future“ im Düsseldorfer Schauspielhaus.

 Szene aus „Volksfeind for Future“ mit (v.l.) Rainer Philippi, Claudia Hübbecker, Minna Wündrich, Glenn Goltz.

Szene aus „Volksfeind for Future“ mit (v.l.) Rainer Philippi, Claudia Hübbecker, Minna Wündrich, Glenn Goltz.

Foto: Sandra Then

Sie sind jung, und sie sind zornig. Ungeschminkt und ungehemmt brüllen die Umweltaktivisten heraus, was sie bedrückt: der Klimawandel, die steigenden Meeresspiegel, die vielen Autos, die die Luft verpesten. Ihre Ziele sind durch Corona etwas in Vergessenheit geraten. Doch als Chor können sie wegen des Virus nicht auf der Bühne stehen. Also erscheinen die 20 Fridays-for-future-Demonstranten gefilmt auf einer Leinwand, was noch direkter wirkt: Im Großformat sieht man die Gesichter der Schüler und Studenten und kann sich ihrer Sorgen und Ängste kaum entziehen.

Regisseur Volker Lösch ist bekannt für seine Chöre mit real Betroffenen. So sollte es auch bei diesem „Volksfeind for Future“ sein, den Autor Lothar Kittstein an das berühmte Umwelt-Stück von Ibsen angelehnt hat. Doch von dem Original ist bei der Uraufführung im Düsseldorfer Schauspielhaus nicht mehr viel übrig: kein verseuchtes Bad, kein kämpfender Doktor, keine eindeutige Moral.

Hier geht es um ein E-Auto-Werk, das in der „schönsten Stadt am Rhein“ gebaut werden soll. Die Oberbürgermeisterin (Minna Wündrich), schwankend zwischen grünen Idealen und dem Pragmatismus eines Stadtoberhauptes, kämpft dafür, obwohl ihre wütenden Kinder (sehr eindringlich: Cennet Rüya Voß, Charlie Schrein) sie überzeugen wollen, dass E-Autos nicht die Heilsbringer sind, als die die Politik sie gerne darstellt.

Corona integriert sich wie selbstverständlich in ein Stück, in dem es um unser Leben hier und jetzt geht. Und darum, wie die Wirtschaft nach Corona funktionieren soll und kann – mit Klimaschutz oder nicht.

Man erfährt viel über E-Autos und ihre angebliche Nutzlosigkeit im Kampf gegen den Klimawandel. Fakten werden (etwas einseitig) aufgezählt. Die Schüler fordern, alle Autos abzuschaffen, den Verkehr neu zu denken, alle Flüge unter 1000 Kilometer zu verbieten. Freien ÖPNV für alle, Grundeinkommen ebenso. Bessere Tierhaltung, vegane Ernährung und, und, und. Sie legen eindringlich den Finger in die Wunden.

Die geniale Bühne (Carola Reuther) ist geschickt mit verschieden hohen Podien ausgestattet. Mit Reihen bunter Papp-Autos verwandelt sie sich in einen Friedhof mobiler Träume. Er dient den Darstellern als Abenteuer-Spielplatz, der sich mal in eine Disko samt Glitzerkugel verwandelt, dann in das Zuhause der Oberbürgermeisterin oder in die Redaktionsräume der „Rheinischen Rundschau“.

Deren Chefredakteurin (Claudia Hübbecker) will die Schüler bei ihrem Kampf unterstützen und verfasst höchst komisch einen Leitartikel gemeinsam mit dem Mann der Oberbürgermeisterin (Glenn Goltz): Beide tragen weiße Schutzanzüge und Masken und schwingen teils kämpferisch, teils erotisch eine Schwimmnudel, als sei es ein überdimensionaler Stift.

Doch ihr Ideal von Pressefreiheit bekommt einen Dämpfer, als der Geschäftsführer des Autowerks (Rainer Philippi) ihr erklärt, wie die Dinge funktionieren: „Politik ist ganz einfach. Ich kenne den Verleger, und wenn Sie das drucken, sind Sie gefeuert.“ Er will in jedem Fall die Arbeitsplätze erhalten, das steht für ihn über allem. Der Betriebsrat (herrlich schräg: Jonas Friedrich Leonhardi) kämpft für das E-Auto-Werk, weil er hofft, so den geliebten Diesel zu erhalten.

Die Tochter appelliert ans Publikum und lässt es abstimmen über Umweltfragen. Doch die Zustimmungen bleiben Lippenbekenntnisse: Keiner ist an diesem Abend bereit, seinen eigenen Autoschlüssel abzugeben. Der Sohn wählt einen anderen Weg. Er geht mit Handykamera bewaffnet in ein nahes Parkhaus und zertrümmert einen Jaguar. Die Oberbürgermeisterin hat am Ende die Lösung für die Klimakrise: eine kinderfreie Stadt, denn diese sind die Öko-Killer Nummer Eins!

So lässt einen der kurzweilige, bissige, manchmal plakative Abend aufgewühlt, aber nicht aufgeklärt zurück. Doch er regt an zur Diskussion. Einfache Lösungen gibt es nicht.

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