Saisonstart im Düsseldorfer Schauspielhaus Unter dem Fallbeil

Düsseldorf · Das Düsseldorfer Schauspielhaus beginnt seine neue Spielzeit wie vor 50 Jahren mit „Dantons Tod“. Und kehrt mit eisernem Willen zurück in sein Stammhaus im Stadtzentrum, auch wenn das noch halb Baustelle ist.

 Blick auf das Bühnenbild bei „Dantons Tod“.

Blick auf das Bühnenbild bei „Dantons Tod“.

Foto: Thomas Aurin

Danton regt sich nicht. Obwohl über ihm längst das Messer der Guillotine schwebt und das Blut der Tyrannei ein stetiges Rinnsal bildet, liegt er zusammengekauert an der Bühnenrampe. Der Vorkämpfer der Revolution ist erschöpft, demoralisiert, lebensmüde. Er sieht, dass die Republik, die er erkämpft hat, für die Menschen der niederen Stände kein besserer Ort geworden ist, dass sie weiter hungern nach Brot und Gerechtigkeit. Die Bühne ist eine nach hinten steil hinaufgebogene Rampe, über die jetzt Bettler in Lumpen halsbrecherisch auf das Publikum zurutschen. Sie zetern über die da oben, über Ausbeutung und Hunger. Doch Danton will nur noch eins: den Furor der Revolution stoppen, innehalten mit dem Blutvergießen, weil etwas, das so viele Unschuldige tötet, nichts Gutes mehr hervorbringen kann.

In seiner Inszenierung des ewig gültigen Revolutionsdramas „Dantons Tod“ von Georg Büchner setzt Regisseur Armin Petras auf große Bilder. Das Düsseldorfer Schauspielhaus ist zurückgekehrt in sein Stammhaus am Gustaf-Gründgens-Platz. Noch ist das Theater eine Baustelle, der Umbau längst nicht abgeschlossen und dem Provisorischen überall im Foyer ist der eiserne Wille abzulesen, mit dem die Theaterleitung auf der Rückkehr in dieses Haus zum Spielzeitbeginn bestanden hat. Bevor in der Umgebung die neuen Konsumzentren eröffnen, erhebt das Theater seine Stimme. Es hat sich nicht vertreiben lassen aus der Mitte der Stadt, dafür sind die Bürger eingetreten. Petras stehen also die technischen Möglichkeiten der großen Bühne im Schauspielhaus zur Verfügung, und er nutzt sie. Es gelingen ihm beeindruckende Bilder, etwa als Danton verhaftet wird und in einem Netz aus Seilen gefangen ist wie ein Tier. Oder als die Bühne sich zum Ende endgültig in ein Schafott verwandelt. Über der Rampe lassen Petras und sein Bühnenbildner Olaf Altmann ein abstraktes Fallbeil schwingen, das vorerst den Schauspielern hilft, die steil aufragende Fläche zu erklimmen. Es ist, als blicke der Zuschauer frontal in ein gigantisches Schaufelrad der Geschichte, in dem der kleine Mensch hilflos versucht, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, doch dabei nur Grausames anrichtet.

Es wird geschrien und gestritten, Leute fallen übereinander her, morden, vergewaltigen, fressen Leichen. Petras inszeniert die Schreckensherrschaft unter Robespierre als menschliche Hölle mit allerlei Horroreffekten. Das wirkt bedrückend, intensiv, teils Ekel erregend. Allerdings spielen die Schauspieler von Anfang an extrem erregt und bleiben überwiegend in diesem Zustand. Das ist auf Dauer nicht nur anstrengend anzusehen, sondern verliert auch seine eigentliche Wirkung. Büchners Text ist ein Jahrhundertwerk mit Sätzen, die alle Drastik in sich tragen, die nur ausgesprochen werden müssen, um dem Zuschauer die fatalen Mechanismen der Geschichte vor Augen zu führen. Doch Petras lässt die großen Sätze ständig brüllen und veräußert damit ihre tragische Wucht.

Dabei ist Wolfgang Michalek ein deftiger Danton, wie bei Büchner beschrieben, ein wortgewaltiger Lustmensch, den der Fatalismus gepackt hat, ein gebrochener Macher. Und Lieke Hoppe als sein ideologischer Gegenspieler Robespierre verkörpert mit glühenden Gesten und kaltem Zorn den Fanatismus eines Tugendrichters, der im Kampf um die neue Ordnung alle Menschlichkeit abgelegt hat. Die ungewöhnliche Besetzung stärkt noch einmal den Kontrast zwischen beiden Typen. In der berühmten Szene, in der sie aufeinandertreffen, lässt Petras Danton völlig ungeschützt vor seinen Widersacher treten, nackt liefert er sich aus und kurz kann Stille ihre bedrohliche Wirkung entfalten. Auch Cathleen Baumann gibt neben anderen Rollen einen aasigen St. Just, der genüsslich am Drink nippt, während er Köpfe rollen lässt. Doch viele Details können kaum wirken, schon wird wieder eimerweise Blut vergossen, und der Text versinkt im dauererregten Grundton der Inszenierung.

„Dantons Tod“ erzählt aus jener Phase nach der französischen Revolution, als aus dem Freiheitsprojekt eine Blutherrschaft geworden ist und Robespierre seine einstigen Weggefährten kaltblütig aus dem Weg räumt. Büchner hat teils Originalreden in seinem Werk verarbeitet und reflektiert zugleich seine eigene Verfolgung 1835 durch die reaktionäre Regierung in Hessen. Diese Überblendung von Zeiten und die Verwendung von dokumentarischem Material greift Petras auf. Er lässt Texte anderer Freiheitskämpfer aus der Zeit der französischen Revolution sprechen, deren Ziele bis heute nicht erreicht sind. Es geht um Feminismus und Kolonialismus, um Klassenkämpfe, die bis in die Gegenwart reichen. Für diese inhaltliche Weitung nimmt Petras Brüche mit dem Pathos Büchners in Kauf.

Nach der Pause des gut dreistündigen Abends lässt die Bildmacht jedoch nach, obwohl Petras spät noch Videoelemente in die Inszenierung einbaut. Es wird exekutiert, was sich lange anbahnte, das imposante Bühnenbild erfüllt seinen finalen Zweck. Das Düsseldorfer Schauspielhaus feiert mit dieser Inszenierung die Rückkehr auf seine große Bühne, auch wenn der Stoff, trotz aller Bemühungen um aktuellen Anschluss, seine Dringlichkeit nicht voll entfaltet.

Karten und Termine finden Sie hier online.

Kartenhäuschen Die Vorverkaufsstelle befindet sich wieder am Gründgens-Platz, auf der vorderen Seite des Schauspielhauses, zwischen dem Dreischeibenhaus und dem eigentlichen Haupteingang des Theaters. Telefonisch zu erreichen unter 0211 369911

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