Umberto Eco als humorvoller Zeitkritiker

Manchmal überkommt es Umberto Eco. Wenn ihm auf dem Bürgersteig eine Dame entgegenkommt, die auf ihr Handy starrt. "Da ich im Innersten bösartig bin, bleibe ich plötzlich stehen und drehe mich um, als blickte ich zurück in die Straße. So prallt sie gegen meinen Rücken ... Ich hoffe, dass ihr Handy durch den Fall kaputtgegangen ist, und rate jedem, der in ähnliche Situationen gerät, sich so zu verhalten wie ich."

Auch in der jetzt postum erschienenen Kolumnensammlung "Pape Satàn" zeigt sich der vor einem Jahr gerstorbene Umberto Eco (1932-2016) noch einmal als humorvoller Zeitkritiker. 56 Texte aus den Jahren 2000 bis 2015 enthält der Band, dessen Titel auf Dantes "Göttliche Komödie" anspielt und als Ausdruck für "jede Teufelei" steht. Allesamt sind sie im römischen Nachrichtenmagazin L'Espresso erschienen, für das der Autor von "Der Name der Rose" seit 1985 seine als "Streichholzbriefchen" bekannt gewordenen Kolumnen schrieb. Benannt nach den Streichholzheftchen der Firma Minerva, die auf der Innenseite eine leere Fläche für Notizen enthielten. Das Buch schließt so an die vier bereits erschienenen Kolumnensammlungen der Jahre 1992 bis 2006 an und zeigt Umberto Eco auf der Höhe der Zeit. Ein bisschen altmodisch, aber nicht von gestern.

Mit der Erfahrung eines langen Gelehrtenlebens blickt Eco auf die Gegenwart und diagnostiziert eine Krise des Staates, der Ideologien und der Parteien. Dafür verantwortlich macht er den hemmungslosen Individualismus in der Gesellschaft. Dieser Subjektivismus habe die Grundlagen der Moderne unterminiert und brüchig gemacht, so dass sich mangels fester Bezugspunkte alles "mehr oder minder verflüssigt" habe. Seine Kolumnen sind zeitlos. Wenn er die globalen "Empörungsbewegungen" wahrnimmt, muss man an Pegida denken: "Diese Bewegungen wissen zwar, was sie nicht wollen, aber nicht, was sie wollen". Und wenn er seinem Erzfeind Silvio Berlusconi attestiert, er sei ein Werbegenie, der kapiert habe, dass es nur darum gehe, in den Medien präsent zu sein, kommt einem sogar Trump in den Sinn.

(RP)
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