Von Naegeli bis Beuys Diese Kunstwerke wurden aus Versehen zerstört
Potsdam · „Ist das Kunst oder kann das weg?“ – das hätten sich die Mitarbeiter der Kölner Abfallwirtschaft vielleicht fragen sollen, bevor sie durch ein „tragisches Versehen“ das berühmte Skelett von Harald Naegeli wegputzten. Ein Schicksal, das auch schon berühmte andere Kunstwerke ereilte.
Zerstört wurden und werden Kunstwerke eher durch Unwissenheit als durch Mutwilligkeit. Nämlich dann, wenn sie im Müll landeten oder Reinigungskräfte ihre Arbeit zu gut machten, nach dem Motto „Ist das Kunst oder kann das weg“.
Jüngstes Opfer wurde das gesprayte Skelett von Harald Naegel am Westportal der Museumskirche St. Cäcilien in Köln. Anfang September 2024 wurde große Teile seines Graffitis durch ein „tragisches Versehen“ von den Abfallwirtschaftsbetrieben der Stadt entfernt, wie die Kommune ein paar Tage später mitteilte. Dies geschah, als die Arbeiter ein anderes, nicht erwünschtes Graffiti an der Kirche entfernten.
Im April 2004 wurde das Kunstwerk des deutschen Künstlers Gustav Metzger als solches von einer Putzfrau in der Londoner Nationalgalerie Tate Britain nicht erkannt. Eine durchsichtige Plastiktüte gefüllt mit Zeitungen und Pappe, die vor einem abstrakten Gemälde stand, warf sie in den Müll. Was die Frau nicht wusste: Der Plastiksack gehörte mit zum Kunstwerk. Die Kuratoren retteten zwar die Plastiktüte vor der Vernichtung. Metzger sah sein Werk aber als zu stark in Mitleidenschaft gezogen und stellte dem Museum einen Ersatz zur Verfügung.
Die Künstlerin Romana Menze-Kuhn musste eine ähnliche Erfahrung machen. Im Februar 2016 entsorgte in der Mannheimer Philippuskirche eine Putzfrau Teile ihrer Installation "Behausung 6/2016". Die goldfarbenen Rettungsfolien waren auf dem Fußboden der Kirche zu bizarren Formen gefaltet. Einige von ihnen landeten in der Mülltonne. Die geschockte Künstlerin integrierte daraufhin die Mülltonne mit den Folien in ihre Installation und nannte das Kunstwerk 6a/2016.
Opfer einer Entrümpelungsaktion wurde 2009 die Pferdeskulptur aus 18.000 Computertasten "Hedon is (my) Trojaner" des Künstlers Babis Panagiotidis. Die Skulptur lagerte in der Garage eines Freundes. Da der Freund die Miete nicht zahlte, entrümpelt der Vermieter kurzerhand die Garage und entsorgte das Kunstwerk. Das kam dem Rentner teuer zu stehen. Er musste 23.500 Euro Schadenersatz zahlen.
„Ist das Kunst oder kann das weg“
Dieser berühmte Satz geht zurück auf die wohl berühmteste Entsorgung eines Kunstwerkes. Die „Fettecke“ von Joseph Beuys (1921-1986) kratzte im Oktober 1986, neun Monate nach dem Tod von Beuys der Hausmeister in der Düsseldorfer Kunstakademie weg.
Beuys-Schüler Johannes Stüttgen fand die Reste der „Fettecke“ in einem Abfalleimer und machte daraus ein neues Werk: „Reste einer staatlich zerstörten Fettecke“. Später bekam Stüttgen in zweiter Instanz in einem Vergleich vom Land Nordrhein-Westfalen 40.000 D-Mark ausgezahlt. Stüttgen sah sich durch eine mündliche Eigentumsübertragung als Besitzer des Werks und hatte das Land auf Schadensersatz verklagt.
Tollpatschigkeit macht Kunst zum Scherbenhaufen
Unbedarftheit verwandelte im Februar 2023 das Objekt „Balloon Dog“ von Jeff Koons in einen Scherbenhaufen. Eine Sammlerin hat auf einer Kunstmesse in den USA versehentlich eine Glasskulptur des berühmten Künstlers Jeff Koons umgestoßen und den auf einen Wert von 42.000 Dollar (rund 40.000 Euro) geschätzten Ballon-Hund („Balloon Dog“) zerstört. Er habe gesehen, wie die Frau gegen die blau glänzende Skulptur geklopft habe, dann sei das Kunstwerk plötzlich umgekippt und „in tausend Stücke zerschellt“, sagte der Künstler Stephen Gamson einem US-Fernsehsender.
Im Sommer 2012 wurde das spanische Dorf Borja mit einem Schlag weltberühmt – weil eine Hobby-Restauratorin ein Jesus-Bild in der Ortskirche verunstaltet hatte. Die Rentnerin und Amateur-Restauratorin Cecilia Giménez wollte das Jesus-Bild "Ecce Homo" aufhübschen. Am Ende war das Original nicht wiederzuerkennen und verunstaltet. Unmittelbar hat sich das Netz daran gemacht, diesen "Epic Fail" auf seine Art und Weise zu verarbeiten.
Mutwillige Attacken um Aufmerksamkeit zu erlangen
Doch manchmal sind es auch mutwillige Attcken, die Kunstwerke (beinahe) zerstörten. Klimaaktivisten attackierten im Jahre 2022 vermehrt unbezahlbare und berühmte Gemälde wie zuletzt in Den Haag am 27. Oktober 2022. Im niederländischen Kunstmuseum Mauritshuis hatten es die Aktivisten auf Johannes Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ abgesehen. Ein Video, das bei Twitter kursierte, zeigt, wie ein Mann offenbar versuchte, sich mit dem Kopf an dem weltberühmten Gemälde festzukleben. Ein anderer Mann überschüttete ihn dabei aus einer Dose mit - dem Anschein nach - Tomaten. Das unbezahlbare Werk sei nach Angaben des Museums nicht beschädigt worden. Eine Glasscheibe schützt das Bild.
Weitere Attacken gab es auf Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ von 1888 in der Londoner National Gallery mit Tomatensuppe. Das Gemälde ist mit Glas geschützt, beschädigt wird nur der Rahmen in London. Ebenfalls im Oktober, im August in Berlin, kleben sich zwei Aktivistinnen am Rahmen von Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553): „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ fest. Und im gleichen Monat ist eines der berühmtesten Bilder der italienischen Renaissance, Raffaels „Sixtinische Madonna“ (1512/13), Ziel einer Klebeaktion der Gruppe „Letzte Generation“ in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. Nur der Rahmen wird beschädigt. Die ersten solcher Attacken gab es im Juni 2022. In Glasgow, London, und Manchester kleben sich Aktivisten in mehreren Museen an die Rahmen von Gemälden. Die Gruppe Just Stop Oil fordert die britische Regierung dazu auf, keine neuen Öl- und Gasprojekte mehr zuzulassen. Bei all diesen Attacken ist das Motiv der Angreifer klar: Aufmerksamkeit. Um Zerstörung geht es weniger, die Schäden blieben bislang gering.
Motiv unbekannt
Anders so die Aktion von immer noch unbekannten Tätern in Berlin 2020. In drei Berliner Museen beschädigen Unbekannte mehr als 60 Objekte mit einer öligen Flüssigkeit. Betroffen waren das Neue Museum, das Pergamonmuseum sowie die Alte Nationalgalerie. Das Motiv gibt noch immer Rätsel auf.
Bei einem Anschlag mit Schwefelsäure im April 1990 auf Rembrandts 1642 vollendetes Meisterwerk „Nachtwache“ war der Täter ein geistig verwirrter Niederländer. Auch hier liegt das Motiv im Dunkeln. Die Schäden konnten behoben werden. Aufseher verhinderten Schlimmeres, weil sie schnell genug eingriffen.
(Dieser Artikel vom 27.10.2022 wurde aktualisiert und noch mal publiziert.)