Moers Tim Isfort will das Moers Festival retten

Moers · Der Musiker und Produzent hat heute seinen ersten Arbeitstag als Festivalleiter. Das Jazzfestival stand zuletzt kurz vor dem Aus.

Heimspiel für Tim Isfort. Der neue künstlerische Leiter des Moers Festivals ist in Moers aufgewachsen und kennt das Jazzfestival zu Pfingsten seit seiner Jugendzeit. Anfangs spähte er durch den Zaun, später kaufte er sich das erste Ticket, um japanische Koto-Spieler und Musiker wie den amerikanischen Saxofonisten John Zorn spielen zu hören. Diese Zeit beschreibt Tim Isfort heute als sein musikalisches Erweckungserlebnis. "Wer weiß, welche Musikrichtung ich ansonsten eingeschlagen hätte", sagt der 49-jährige Musiker, Komponist und Produzent. Inzwischen stand er selbst mehrfach auf der Festivalbühne, zuletzt in diesem Frühjahr mit einem Quartett für vier Saxofonisten.

Die Moerser setzen große Hoffnungen in Tim Isfort. Als Festivalchef soll er den Fortbestand des renommierten Festivals für zeitgenössische und improvisierte Musik sichern, das dieses Jahr finanziell arg ins Schlingern geriet und kurze Zeit auch vor dem Aus stand. Heute ist sein erster Arbeitstag. Isfort steht vor der Herausforderung, in knapp sechs Monaten ein Programm stemmen zu müssen. Doch der 49-Jährige lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. "Ich habe auf dem Festival zu improvisieren gelernt."

Seit 1972 kommen Jazzfans aus aller Welt einmal im Jahr nach Moers. Das Festival, das Burkhard Hennen gegründet hatte, etablierte sich als die Veranstaltung deutschlandweit, die aktuelle Musikströmungen abbildet und immer auf der Suche nach dem Neuen ist - ob nun Jazz, Avantgarde, Improvisation, Weltmusik oder elektronische Musik. Musiker wie Fred Frith, Carla Bley und Colin Stetson traten in Moers auf. 2005 übernahm der Kölner Reiner Michalke die künstlerische Leitung und heimste einen Preis für seine wagemutige Programmgestaltung ein. Im Herbst 2016 warf er im Streit um die wirtschaftlich angeschlagene Situation des Moers Festivals und der Moers Kultur GmbH als Veranstalterin seinen Job als Leiter überraschend hin. Tim Isfort war schon früh Favorit der Findungskommission, die mit der Suche nach einem neuen Festivalleiter beauftragt war. Am Montag war Vertragsunterzeichnung. Der 49-Jährige ist ein leidenschaftlicher Musiker. Nach dem Kontrabass-Studium an der Folkwang-Hochschule für Musik und am Konservatorium in Arnheim gründete er 1995 das 40-köpfige Tim Isfort Orchester und arbeitete mit Künstlern wie Blixa Bargeld, Katharina Thalbach und Tom Liwa als Gastsängern zusammen. Das große Orchester reaktivierte er mehrmals, zuletzt zusammen mit Schauspieler Christian Brückner für die Produktion "Ithaka" als Abschlussveranstaltung des Duisburger Kulturhauptstadtjahres nach der Loveparade-Tragödie 2010 in Duisburg. Parallel arbeitet er als Kurator, Produktionsleiter bei Veranstaltungen und Tontechniker mit eigenem Studio in Duisburg. Er kuratierte Nebenreihen abseits der großen Moers-Festival-Bühne und initiierte eine Kulturreihe für die Ruhr 2010 in Moers. Isfort schreibt Theatermusik und arrangiert für andere Künstler. Seit vier Jahren spielt der Bassist im großen Ruhrgebiets-Ensemble "The Dorf".

Erfahrung in der Leitung eines Festivals hat Tim Isfort ebenso. Von 2008 bis 2011 war er Chef des Traumzeit-Festivals im Duisburger Landschaftspark Nord. Nach drei Jahren war Schluss. "Gescheitert ist es an Differenzen über die inhaltliche Ausrichtung. Die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, werden meiner neuen Aufgabe zugutekommen", erklärt der Bassist. Das Moers Festival liege außerdem noch eine Ebene drüber. "Ich habe gesehen, dass es tot ist, wenn sich niemand findet, der es fortführt", begründet er, warum er die Aufgabe übernommen hat. Isfort hat bereits ein neues Team zusammengestellt, mit dem er das Festival 2017 auf den Weg bringen will. Die Moers Kultur GmbH hat ihm einen neuen Geschäftsführer zur Seite gestellt. Claus Arndt wird ab dem 1. Januar nebenamtlich die Geschäfte der Gesellschaft führen. Noch lässt sich Tim Isfort nicht in die Karten gucken, wie und mit welchen Künstlern er das 45. Festival aufziehen möchte. "Wir müssen jetzt erst die Botschaft in die Welt hinaus senden, dass das Festival weitergeht und weiterhin die Plattform für unerhörte Musik und unerwartet Kooperationen ist."

Ein Hinweis auf das Programm könnte eine für Januar geplante Reise sein: Sie führt ihn nach Myanmar. Seit 2010 ist Isfort treibende Kraft des ersten Kulturaustauschs mit Myanmar für das Goethe-Institut und das Auswärtige Amt. Daraus ist das Musikprojekt "Myanmar meets Europe" entstanden. Tim Isfort wird aber nicht nur daran gemessen werden, wie hochkarätig das Programm vom 2. bis zum 5. Juni 2017 sein wird, sondern daran, ob es ihm gelingt, die Moerser wieder für "ihr" Festival zu begeistern. Der Zuspruch für die kostenträchtige Veranstaltung hat zuletzt gelitten. Isfort hat schon Ideen gesammelt, möchte die Kneipen und Kulturmacher ins Boot holen.

(RP)
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