Düsseldorf Theater mit Aussicht

Düsseldorf · Eine Begegnung mit Burgschauspielerin Caroline Peters, die derzeit in Düsseldorf gastiert. Populär wurde sie in "Mord mit Aussicht".

Es gibt viele Gesichter von Carolines Peters: die nachdenkliche konzentrierte natürliche Frau, die mir gegenübersitzt, drei Stunden, bevor sie in Düsseldorf auf die Bühne geht und in "Heisenberg" die weibliche Hauptrolle Georgie gibt. Ungeschminkt kommt sie zum Interview, lässig, ungekramt. Sie trägt weiße Turnschuhe, Jeans und eine weiße hochgeknöpfte Biesenbluse. Ihre großen Augen sind einnehmend wie der auffällige Mund, dessen Winkel nach oben gehen. Fast immer sieht sie fröhlich aus.

Wir sprechen darüber, wie es ist, Caroline Peters zu sein, wie man Schauspielerin wird und als solche glücklich und erfüllt bleibt, dass sich in diesen Tagen vom Anschlag in Berlin das Weltgefühl ändert, und darüber, was im Leben wichtig ist. Sie werde kurz vor 17.30 Uhr nervös werden, kündigt sie an, zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn. Dann brauche sie Ruhe, um sich einzulassen auf den Theaterabend.

Sie ist Profi durch und durch. Auf der Bühne begegnen wir dann Frau Peters als präziser Mimin. Ein erstklassiger Ruf eilt ihr voraus: Festengagement an der Wiener Burg, 2016 zur "Schauspielerin des Jahres" gewählt und mit dem "Grimme"-Preis ausgezeichnet. Was will man mehr? Sie hat mit 45 Jahren nahezu all das erreicht, wovon manche ihrer Kollegen lebenslang träumen. In dem Zwei-Personen-Stück von Simon Stephens, einer Beziehungsstudie über zwei ungleiche Partner, die sich in unscharfen Lebensfeldern finden und lieben, ist Peters Exzentrikerin. Nicht wiederzuerkennen.

Ungestüme Gesten führt sie mit ihren Armen aus, zeichnet Linien in die Luft, oft beugt sie den Kopf nach vorne - ganz typisch für sie - , dabei nimmt sie gern den Oberkörper mit, um zu verstärken, was sie ausdrücken will. "Charakterschauspielerin" geht mir durch den Kopf, sie kann auf Knopfdruck Stimmungen wechseln, becircend sein oder polternd, unberechenbar in ihren Lügen oder gefährlich in ihrer Süßlichkeit. Am Ende von anderthalb Stunden wird das Publikum im ausverkauften Haus warmen Applaus und Bravo-Rufe ihr und ihrem Partner Burghart Klaußner spendieren.

Es ist 21.20 Uhr. Caroline Peters strahlt jetzt über ihr entspanntes Gesicht. Der Applaus ist fast das Schönste am Beruf, sagt sie, ohne Applaus sei alles nichts. Ohne Publikumsreaktionen fehle jede Rückmeldung: War ich gut? Habe ich die Herzen erreicht? In Düsseldorf hat man sie wohlwollend aufgenommen. "Traumhaft" sei das Publikum. Sie habe gut daran getan, der Einladung von Intendant Wilfried Schulz nicht zu widerstehen. Die Erwartung dieser Theaterabende war für die gebürtige Mainzerin, die in Köln aufwuchs, entscheidend bei der Berufswahl. Sie braucht Live-Erlebnisse, liebt Adrenalinstöße. Und sie hat jeden Abend Lampenfieber.

Die Tochter eines Psychiaters und einer Literaturwissenschaftlerin war ein unbekümmertes Kind, das erst in der Pubertät nicht mehr fröhlich sein mochte, sondern am Leben und an der Institution Schule litt. Schüchtern ist sie bis heute, daher tut ihr Spielen gut, weil sie laut und auffällig sein darf, alles rauslassen kann. Daher sieht sich auch weniger als Gretchen oder Julia. "Das hat mit meinem Leben gar nichts zu tun. Ich war kein Püppchen und auch nicht lieb. Die romantischen Mädchenrollen sind alle an mir vorbeigezogen."

Wenn Peters überlegt, was sie noch spielen möchte, sind das aktive Rollen, Frauenfiguren, die etwas zu sagen haben wie Hedda Gabler oder die Lotte in "Groß und klein" von Botho Strauß. Grundsätzlich denke sie mehr in Inszenierungen, in Welten, die Regisseure gemeinsam mit einem Ensemble auf Zeit errichten. "Nach vier Jahren Schaubühne war René Pollesch meine Rettung. Weil man bei ihm Rollen spielen konnte, die gar keine sind, Texte, die von heute sind. Da geht es laut und deftig zur Sache."

Laut und deftig kann Caroline Peters auch als Sophie Haas sein - im Grunde genommen gibt es also eine dritte Ausgabe der wandlungsfähigen Schauspielerin. in 39 Mordfällen hat sie als eigensinnig-überdrehte, auf jeden Fall durchgeknallte Ermittlerin ein fiktives Eifeldorf aufgemischt - als Antitype zu den lahmen, faden "Tatort"-Kommissarinnen. Die Haas trinkt, raucht, fährt zu schnell und verliebt sich in die falschen Männer. Zwischen 2007 und 2014 hat "Mord mit Aussicht" dem WDR sensationelle Quoten beschert und Caroline Peters Popularität. Gegen jedes Deutscher-Krimi-Klischee durfte bei den Ausstattungen alles bunt und gemustert sein - die Kleider, die Autos. Das habe ihr gefallen, sagt Peters, denn Hornhaut-Umbra und Steingrau mag sie nicht.

Schade, dass es vorerst keine neuen Folgen mehr gibt. Findet sie auch. Diese Rolle hat sie bekannt gemacht, so dass Menschen auf der Straße sie als Sophie Haas ansprechen. Ob sie ein Angebot annehmen würde, "Tatort" Kommissarin zu werden, kann sie derzeit nicht sagen. Lieber fragt sie: "Wie viel Tatort braucht ein Land? Und es käme sehr darauf an, wo der Tatort ist, den ich ermittle." Bevorzugen würde sie andere Rollen, im Münster-"Tatort" hatte sie einmal die Verdächtige gespielt. Das war okay.

Mit ihrem Leben ist Caroline Peters zufrieden, die Wohnung in Wien, der verlässliche Lebenspartner, die Engagements, es scheint alles gut. Nur die Weltlage nicht. Im Jahr 2016 hätten sie die politischen Vorgänge wie nie beschäftigt und aufgerüttelt, Aleppo, Trump, Paris, Nizza, Berlin. Die Macht der digitalen Medien verändere das Demokratieverständnis. Eine neue Generation werde demnächst das Sagen haben, die nur glaubt, was im Internet steht. Denen legt sie das Theater ans Herz, Märchen und künstliche Welten hält sie für bereichernd. "Die Realität, in der wir leben, ist ja schon Fiktion", sagt Peters.

Was erwartet die erfolgsverwöhnte Schauspielerin vom Alter? "Ich habe keinen Lebensplan", sagt sie, "keine stringente Biografie." Ihr Leben war irrer und wirrer, als jede Biografie es zulassen würde. Caroline Peters fürchtet sich nicht, sie ist diszipliniert, sie versucht, gesund zu leben, und hält sich an Vorbilder wie Charlotte Rampling oder Judy Dench. "Es geht auch mit einer Charakterfresse." Dabei grinst sie charmant und sagt adé. In zwei Stunden beginnt die Vorstellung.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort