Ruhrtriennale Brisanter Stoff, schwach umgesetzt

Essen · Ruhrtriennale: Auf Zeche Zollverein wurde jetzt „The Factory“ uraufgeführt.

 Lina Murad in „The Factory“ auf Pact Zollverein.

Lina Murad in „The Factory“ auf Pact Zollverein.

Foto: Ruhrtriennale/Ant Palmer

Der Skandal um das französische Unternehmen LafargeHolcim ging kürzlich noch einmal durch die Medien: Es hatte eine Zementfabrik in Syrien betrieben und nach Ausbruch des Krieges nicht nur die eigenen Mitarbeiter erheblichen Gefährdungen ausgesetzt, sondern offenbar auch „Schutzgeld“ an den IS gezahlt. Ein brisanter und starker Stoff ist das, der wie unter einem Brennglas von den unterschiedlichsten Akteuren und Koalitionen und der schwierigen Wahrheitsfindung – also der Komplexität des Syrien-Kriegs – erzählt. Ein starker Stoff, der sich in Reportagen oder Dokumentarfilmen aufschlussreich und spannend aufbereiten ließe. Für die Umsetzung auf der Theaterbühne eignet er sich nicht unbedingt – zumindest ging die Umsetzung von Autor Mohammad Al Attar und Regisseur Omar Abusaada, die ihn als Uraufführung für die Ruhrtriennale bearbeitet hatten, nicht wirklich auf.

Das Publikum im offenen Raum von Pact Zollverein in Essen ist mit einer Bühnensituation konfrontiert, die wie eine Mischung aus Dokumentarfilm und Gerichtsprozess wirkt: Vier Personen erzählen vor Videowänden ihre Sicht auf das Geschehen um die Zementfabrik: Die freie Journalistin Maryam (Lina Murad), die sich auf Grund einer E-Mail des Fabrikarbeiters Ahmad zwei Jahre in das Thema vertieft hat. Mustafa Kur gibt Ahmad selbst eine sehr emotionale Stimme. Außerdem sprechen der Wirtschafts-Tycoon Firas (Ramzi Choukair) und der eitle syrisch-kanadische Geschäftsmann Amre (Saad Al Ghefari). Leider kommt es nur in seltenen Fällen zu Interaktionen zwischen den Darstellern.

Meist legen sie in langen Monologen ihre Sicht auf die Ereignisse vom Beginn des Bürgerkriegs 2011 bis Ende 2014 dar, als die Zementfabrik den Betrieb doch einstellen musste. Spielerische Nuancen im Vortrag bleiben den nicht arabischsprachigen Zuschauern leider weitgehend verborgen, weil die Blicke im extrem textlastigen Stück an schnell wechselnden deutschen und englischen Obertiteln hängen.

Obwohl die Inszenierung den Eindruck eines Recherche-Stücks macht und mit der Gerichtssituation die Suche nach Wahrheit suggeriert, bleiben doch viele Fragen ungeklärt, zum Beispiel die nach der Rolle der beiden Geschäftsmänner im komplexen Spiel der Kriegsparteien und des international agierenden Konzerns. Dass die beiden in der Tribunal-Situation auch von ihrem Tod erzählen, ist ein Kunstgriff, der etwas unverbunden neben der sonst realistischen Erzählweise steht. Außerdem verzettelt sich die Inszenierung zweimal in die Nebenerzählung eines Filmprojekts der Journalistin Maryam über ihren Vater. Die reicht leider nicht, um aus der Faktengeberin eine lebendige Figur zu machen.

Zu einer berührenden theatralen Situation kommt es erst am Ende der fordernden rund 100 Minuten, als Mustafa Kurs Ahmad von der Flucht seiner Familie in die Türkei erzählt. Die Wand der Zementfabrik repräsentiert plötzlich die Mauer, die ihn für lange Zeit von seiner Heimat trennen wird.

Info weitere Termine: 15. bis 18. August
www.ruhrtriennale.de

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