Tanzfestival „Temps D’Images“ Zwischen Wirklichkeit und Projektion

Düsseldorf · Das Festival „Temps D’Images“ im Tanzhaus NRW bietet ungeahnte Perspektiven auf die Choreografie. Dazu müssen die Zuschauer ihre Komfortzone verlassen.

 Bei der Performance „MIRE" von Cie Jasmine Morand formen die zwölf Tänzerinnen und Tänzer immer neue Figuren.

Bei der Performance „MIRE" von Cie Jasmine Morand formen die zwölf Tänzerinnen und Tänzer immer neue Figuren.

Foto: CELINE MICHEL/Celine Michel

Die 17. Auflage des Festivals „Temps D’Images“ startete mit einer außergewöhnlichen Premiere und digitalen Installationen im Foyer des Tanzhaus NRW. Wie in Platons Höhlengleichnis, nehmen die Zuschauer von Cie Jasmine Morands neuem Stück „MIRE“ die Perspektive des Beobachters einer Wirklichkeit ein, die in Wahrheit eine Projektion ist. Zwar nicht als Schattenbild an einer Höhlenwand, vielmehr als Spiegelung an der Bühnendecke. Dafür muss das Publikum seine Komfortzone ver- und sich auf die Anforderungen des Stücks einlassen. Denn auf dem Boden liegen Matten, und wer sehen will, muss sich darauf ausstrecken, den Blick zur Decke gerichtet.

„Mich fasziniert das Handwerk der Erschaffung einer perfekten Illusion“, hatte Cie Jasmine Morand vor der Premiere verraten, warum sie sich dafür entschieden hat, Tanzperformance einmal ganz anders aufzuziehen, als üblicherweise. „MIRE“ sei, so fügte sie noch augenzwinkernd hinzu, für ein digital ausgerichtetes Tanzfestival „ziemlich analog“ geworden.

Die rund 80 Premierenbesucher betraten den verdunkelten Saal und wurden gebeten, ihre Schuhe auszuziehen. Denn sie befanden sich im Bühnenbereich. Der war mit sternförmig um eine Art nach oben offenem Kubus angeordneten Matten ausgelegt.

Die zwölf Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles Prototype Status formten mit ihren Körpern zu sphärischen Klangwelten liegend immer neue Figuren. Die erinnerten mal an aufgehende Blüten, mal an Sterne oder geometrische Figuren. Ein wenig wirkte das wie die Performance eines Wasserballetts, dessen Choreografie sich dem Zuschauer auch nur gänzlich erschließt, wenn er sie von oben betrachtet. Diese Aufgabe erfüllte der über dem Ensemble unter der Decke hängende Spiegel, der die Bilder auf das auf gleicher Ebene mit den Performern liegende Publikum zurückwarf.

Lag in der ersten Hälfte des Stücks der Schwerpunkt mehr auf ruhigen Bewegungen und zusammenhängenden Bildern, veränderte sich mit dem Tempo im Verlauf der rund 60 Minuten die Art, wie das Ensemble agierte. Es verließ die liegende Position in der alle weitgehend synchron zur Form beitrugen. Sie bildeten Paare oder fanden sich zu kleinen Gruppen zusammen. Lagen eng um- und ineinander verschlugen, über- oder untereinander; gingen in der Hocke oder liefen umher, von unten oder von der Seite beleuchtet.

Wer wollte, konnte das Ensemble durch Sehschlitze des Kubus bei der Performance beobachten, ganz so wie es im so genannten „Kaiserpanorama“ Ende des 19. Jahrhunderts üblich war. „MIRE“ war der gelungene Auftakt zu einem Tanzfestival, das wie kaum ein anderes auf visueller Ebene Maßstäbe setzt. Parallel läuft eine Ausstellung im Foyer des Tanzhauses mit digitalen Installationen, die allein schon einen Besuch wert sind.

Wer sich auf die technische Ebene einlässt, kann beispielsweise mit einer speziellen Brille in Choy Ka Fais Virtual Reality abtauchen und durch ein täuschend echtes Museum spazieren. Mittels Joystick und Laserpointer öffnen sich immer neue Türen in virtuelle Räume mit Videoprojektionen, beispielsweise tanzender Schamanen.

Charlotte Tribus hat in ihrer digitalen Installation „KIN“ einen Avatar geschaffen. Die Besucher bekommen ein Tablet in die Hand, bewegen sich damit frei im Raum und können so mit Charlottes Avatar tänzerisch kommunizieren. Auf diese Weise entsteht die Choreografie für ein Stück.

Wem mehr der Sinn nach einem spielerischen Umgang mit Tanz und Digitalität steht, kann sich an „Connected Realities“ probieren. Erdacht und umgesetzt von Giorgi Gedevadinize, Phaidon Gialis und Seongmin Yuk. Bei dieser Installation sind die Besucher nicht allein mit sich und der virtuellen Welt, sondern müssen sich in einem Spiel miteinander verbinden.

Tanz, das beweist das „Temps D’Images“ einmal mehr in den nächsten Tagen, kann Grenzen überwinden und scheinbar Gegensätzliches miteinander verbinden. Das Festival läuft noch bis einschließlich 15. Januar. Tickets und Infos zu den einzelnen Vorstellungen unter: www.tanzhaus-nrw.de (Eintritt: je 17 Euro/erm. 8,50 Euro). Die Platzkapazität ist bei einigen Veranstaltungen begrenzt. Es gilt 2 G.

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