Taylor Swifts neues Album „Midnights“ ist ein reifes, präzises und mysteriöses Werk

Düsseldorf · Die 32-Jährige bringt am Freitag ihr Album „Midnights“ heraus. Es gab keine Vorab-Single, deshalb war unklar, welchen musikalischen Weg Swift nach ihrer Folk-Phase einschlagen würde. So klingt ihr neues Werk.

 Die amerikanische Musikerin Taylor Swift (32).

Die amerikanische Musikerin Taylor Swift (32).

Foto: dpa/Evan Agostini

Es ist nie klar, was sie als Nächstes tut. Deshalb war man gespannt, wie das Album „Midnights“ klingen würde, das Taylor Swift vor zwei Monaten angekündigt hatte. Es gab keine Vorab-Single, die einen Eindruck von der Atmosphäre der Platte hätte vermitteln können. Nur einen Brief der Künstlerin, in dem sie schrieb, dass man es mit einem Konzeptalbum zu tun bekommen werde. Es gehe um 13 schlaflose Nächte, verstreut auf ihr gesamtes Leben. „Wir liegen wach in Liebe und in Angst, in Aufruhr und Tränen. Wir starren Wände an und trinken, bis sie zurücksprechen.“

Nun ist das Album da, und man kann sagen, dass Swifts Sätze das Werk ganz gut auf den Punkt bringen. Das ist eine hochwertige und ambitionierte Veröffentlichung. Und vor allem ist sie ein Statement: Swift gehorcht längst nicht mehr den Gesetzen der Tradition. Sie kehrt nach ihren beiden introspektiven Folk-Alben nicht mit einem Superhit zurück. Sie verzichtet weitgehend auf erhebende Refrains. Sie macht selbstbewussten Erwachsenen-Pop, digitale Nocturnes. „Midnights“ ist ein reifes, präzises und dabei mysteriöses Werk.

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Das faszinierendste Stück ist „Maroon“. Die 32-Jährige singt zu Beats und sparsamer Elektronik; verzerrte Gitarren kreischen gedämpft hinter einem Schleier. „I chose you / The one I was Dancing with in New York / No Shoes / Looked up at the Sky“, singt sie. Noch vor wenigen Jahren hätte sie diese klassisch anmutenden Taylor-Swift-Verse in einen mitreißenden Refrain münden lassen. Nun nicht mehr, sie dimmt stattdessen den Glanz, sie bleibt cool, ohne dabei Wärme und Glamour vermissen zu lassen.

Würde man „Midnights“ verfilmen wollen, man könnte das Set in einem kalifornischen Motel aufbauen, das vor allem in orange und braun gehalten ist und hinter einer Wolke von Melancholie liegt. In „Anti-Hero“ redet Swift über ihre Selbstzweifel, von den Tagen, an denen sie sich wie ein „Monster on the Hill“ fühlt. Sie spricht übers Älterwerden, über Depressionen und Rachegelüste. „Midnights became my afternoons“, singt sie. Und in „Snow On The Beach“, dem Duett mit Lana Del Rey, heißt es: „Life is emotionally abusive“. Die Stimmen der Sängerinnen scheinen dabei ineinander zu fließen.

Die Platte hat bei alledem nichts von einer Therapiesitzung. Sie wirkt intim, als spreche Swift ihre Publikum einzeln an. Das ist ein Album, das als Ganzes gehört werden möchte und sich dagegen wehrt, Steinbruch für Playlisten zu sein. Ein weiterer Höhepunkt ist das Billie Eilish zuzwinkernde „Vigilante Shit“. Nur ein Beat, ein bisschen Elektronik und Bass. Es ist das Stück mit dem größten Neuigkeitswert innerhalb der Taylor-Swift-Ästhetik.

„Midnights“ ist das fünfte Album, das Taylor Swift in etwas mehr als zwei Jahren veröffentlicht. Neben den beiden verblüffenden Waldeinsamkeits-Platten „Folklore“ und „Evermore“ brachte sie Neueinspielungen ihrer frühen Werke „Fearless“ und „Red“ heraus. Kein anderer Superstar schlägt solche Haken. Für „Midnights“ arbeitet Swift nicht länger mit Aaron Dessner zusammen, der ihre „Cottagecore“-Phase mitgestaltet hat. Fast alle Songs wurde von ihrem Langzeit-Kompagnon Jack Antonoff produziert. Er streut Trap-Beats in die Stücke, webt House-Elemente ein und verzerrt für „Midnight Rain“ Swifts Stimme. Ihre Freundin Zoe Kravitz schrieb an dem schönen Eröffnungsstück „Lavender Haze“ mit, das sehr tayloresk vom Verliebtsein erzählt. Ach, apropos: Hinter dem Co-Autor-Pseudonym William Bowery, das erstmals auf „Folklore“ auftauchte, verbirgt sich Swifts Lebensgefährte, der Schauspieler Jo Alwyn.

Großartiges Songwriting. Nebelverhangene Produktion. Dichte Song-Erzählungen. „Lasst die Laternen brennen und geht auf die Suche“, schreibt Taylor Swift in Anspielung auf Verse der amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson. „Wir werden uns selbst treffen.“

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