Festival „Volume Up“ Tanz als Brücke zu den Ahnen

Düsseldorf · Mit seinem Festival „Volume Up“ möchten die Macher am Tanzhaus natürlich unterhalten – aber auch zum Nachdenken anregen. In der Tanzperformance „Geneigter“ geht es um den Genozid der Deutschen an den indigenen Stämmen in Namibia. Ein sehenswertes Stück.

 Clara Marie Müller und Dodzi Dougban in ihrer Performance „Geneigter“.

Clara Marie Müller und Dodzi Dougban in ihrer Performance „Geneigter“.

Foto: Katja Illner

Das Tanzhaus NRW hat ein Festival mit dem schönen Titel „Volume Up!“ (lauter) ausgerichtet. Dass es dabei wenig  Tanz im traditionellen Sinne, sondern viel Kommunikation zu gesellschaftspolitischen Dingen gegeben hat, liegt in der beachtenswert konsequenten Haltung des Kulturinstituts begründet. Diese meint ungefähr Folgendes: Wir bieten euch Freude an der Bewegung und Abenteuer auf der Bühne. Aber wir fordern auch eine Auseinandersetzung mit Themen wie Ausgrenzung, Rassismus und Verletzungen, die im Dunkel liegen. Ist euch das lästig? Nehmen wir hin. 

Im Untertitel von „Volume up!“ heißt es „Festival für ungehörte Stories und unbeachtetes Wissen“. Eine solche ungehörte Story kam jetzt am Frankenplatz zur Uraufführung. Die Performer agierten auf der Wiese, das Publikum saß unter Bäumen. Von Idylle kann trotzdem nicht die Rede sein. In „Geneigter“ beschäftigt sich der Choreograf Zwoisy Mears-Clarke im weiteren Sinne mit Verknüpfungen von Vergangenheit und Gegenwart. Ausgangspunkt ist der Genozid der Deutschen an den indigenen Stämmen der Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 im heutigen Namibia. Am Frankenplatz erinnert dank des Engagements der Evangelischen Kirche im Rheinland eine Gedenktafel an den Vernichtungskrieg.2019 wurde sie erneuert und neben dem Kolonialkriegerdenkmal platziert.

Ein passender Ort also, fand der Choreograf, der in „Geneigter“ auf musikalische Begleitung nahezu gänzlich verzichtet und stattdessen poetische Aperçus in ein schlichtes Sprachrohr spricht. Die beiden Performer Clara Marie Müller und Dodzi Dougban visualisieren die Gedankenflüge, die von Schuld und Verantwortung, jedoch auch von Versöhnung handeln. Die Bewegung, die mehr Statement denn Tanz ist, entnimmt ihr Vokabular archaischen Ritualen und Volkstänzen und zelebriert die Hinwendung zu Himmel und Erde, wo symbolhaft Geschichte und Ahnen einen Platz haben. Zu ihnen gilt es, eine Brücke zu schlagen. Eine berührende Idee. Ihr realer Unterbau rührt von der Zusammenarbeit zwischen Mears-Clarke und Mitgliedern der Stämme der Herero und Nama.

Die Performance wird von Tänzerin Sarena Bockers in die deutsche Gebärdensprache übersetzt, was nicht nur in der deutschen Tanzszene keineswegs selbstverständlich ist. Teilen des Publikums kam dies entgegen. Auch damit ist bei Zwoisy Mears-Clarke immer zu rechnen: einer diversen Gesellschaft mit einem umfassenden Teilhabe-Angebot zu begegnen. Die Zuschauer feiert das gelungene Stück.

Info: Die Performance ist noch einmal am Sonntag, 22. August,  um 16 Uhr am Frankenplatz zu sehen; weitere Infos unter www.tanzhaus-nrw.de

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