200 Jahre Giuseppe Verdi Tanz auf Kamelien: Verdis "Traviata"

Duisburg · Die Rheinoper erlebte eine freundlich beklatschte Premiere in Duisburg.

Irgendwann schossen aus dem steinernen Fußboden lauter Kamelien, die uns daran erinnerten, dass Verdis "La Traviata" auf Dumas' Roman "Die Kameliendame" gründet — es war leider einer der seltenen Momente, dass an diesem Duisburger Opernabend überhaupt etwas blühte. Die Atmosphäre auf der Bühne hatte etwas sehr Klinisches, etwas von emotionaler Quarantäne, mit Stimmungshemmern trefflich anbehandelt. Normalerweise wünscht man derlei den bekannten tuberkulösen Damen der italienischen Opernliteratur ja: Top-Hygiene, optimale Krankenpflege, effektive Antibiotika-Behandlung. Aber so ein bisschen Morbidezza des Pariser Salons dürfte auch außerhalb des Damenrocks und des Sterbelagers stattfinden.

Man darf sagen, dass Andreas Homokis kluge Inszenierung im denkbar schlechten Raum spielte, nämlich im Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann, das vor rundem Horizont auf kahler und steiler Spielfläche kein Milieu, sondern lediglich psychologische Scherenschnitte ermöglichte. Was die Titelheldin betraf, so darf man sagen: Wie die Haut der Dame, so die Wirkung der Szene — blass. Nach der Pause kam es zu Fällen von leichtem Wangenrot, zumal einige Backpfeifen verteilt wurden, aber es blieb der Eindruck, als habe man den Abend über in einen Schwarz-weiß-Fernseher geguckt.

Bleibt also der große Giuseppe, der seinem Orchester schon im ersten Takt einen blanken vierstimmigen Choral mit höchster Tristesse zumutet, dann ein heftiges Tschingderassabum abbrennt und ansonsten der bewährten Mischung aus Trinklied, Liebesschwur und gesungenem Arztbrief vertraut. Betreut wurde diese Mixtur von Kräften des Hauses in Maßen ordentlich, aber nicht überragend.

Brigitta Kele gab die Traviata mit eng korsettierter Taille und schöner Deutlichkeit. Ihre Stimme war elastisch und geschmeidig, nur in der Höhe lag, sobald es ins Piano ging, ein kleiner Schatten auf der Stimme. Da es sich bei Frau Kele um ein Rollendebüt handelte, wird man Steigerungen in puncto Intensität erhoffen dürfen. Jussi Myllys gab den Alfredo mit dem Temperament eines geborenen Finnen: gebremst in seinen ersten Anläufen, dann aber heftig bei der Sache. Seine Stimme hielt er mit Bedacht an der Leine; wir hörten einen lyrischen Mozart-Tenor, der seine Eignung für Verdi einstweilen noch testet.

Die schönste Stimme des Abends: Laimonas Pautienius, der den Giorgio Germont mit einer balsamischen Väterlichkeit ausstattete, von der man in jeder Sekunde glauben durfte, dass sie in Hartherzigkeit umschlagen kann. Die Duisburger Philharmoniker musizierten unter Leitung des neuen Kapellmeisters Lukas Beikircher eher akkurat als erwärmend: Es fehlte zumal vom Pult ein gehöriges Maß an rhythmischer Biegsamkeit. Und der Chor war in der Regel zu flott unterwegs. — Freundlicher Applaus.

(RP)
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