Tagung zu Max Stern Nächste Runde in der Stern-Debatte

Düsseldorf · Nach einer Ausstellungsabsage und viel Streit tagten nun Fachleute zur Geschichte des Galeristen Max Stern in Düsseldorf.

 Max Stern (1904-1987) auf einer undatierten Aufnahme.   Foto: National Gallery of Canada

Max Stern (1904-1987) auf einer undatierten Aufnahme. Foto: National Gallery of Canada

Foto: National Gallery of Canada

Was war diesem Tag alles vorausgegangen: eine Ausstellungs-Ankündigung, ihre Absage, ein geplantes Symposium, eine Rücknahme der Ausstellungsabsage, Verschiebungen sowohl der neuen Ausstellung als auch des Symposiums. Da machte es auch nichts mehr, dass die Tagung, als sie nun endlich stattfand, mit einer Viertelstunde Verspätung begann. Die NRW-Kulturministerin hatte im Stau gestanden.

Im Düsseldorfer Haus der Universität wurde nun jedenfalls über das Leben des von den Nazis vertriebenen jüdischen Galeristen Max Stern (1904-1987) gesprochen, und dass die Fachtagung schon nach kurzer Zeit ausgebucht war, hat wohl vornehmlich mit ihrer Entstehungsgeschichte zu tun. Die beginnt im November 2017, als die Stadt Düsseldorf plötzlich und unerwartet eine für das Frühjahr 2018 angekündigte Schau über das Leben des früheren Düsseldorfer Galeristen Stern im hiesigen Stadtmuseum absagte und zur Begründung laufende „Auskunfts- und Restitutionsgesuche in deutschen Museen, die im Zusammenhang mit der Galerie Stern stehen“ anführte.

Eine dürftige Erklärung war das, und bald stand der Vorwurf im Raum, die Stadt fürchte, strittige Werke aus der eigenen Sammlung zurückgeben zu müssen, und habe die Ausstellung deswegen abgesagt. Kooperationspartner im israelischen Haifa und im kanadischen Montreal protestierten, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, sah in der Absage einen Symbolfall für Deutschlands mangelndes Interesse an einer Aufarbeitung der Vergangenheit. Die Stadt widersprach und gab an, dass die Schau jüngeren wissenschaftlichen Forschungsergebnissen nicht gerecht geworden wäre, die Konzeption habe sich nur auf die Arbeit von Experten des Max Stern Art Restitution Project aus Kanada gestützt. Dort lebte Max Stern nach seiner Flucht, die ihn über Paris und London nach Montreal geführt hatte. „Die mangelhafte Ausstellung hätte zu einem Skandal geführt“, sagte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Nur sorgte dann eben der Verschluss der Bilder für Aufregung. Alles in allem also ein ziemliches Desaster.

Stattdessen sollte ein Symposium her, Forschungsergebnisse sollten ausgetauscht werden, auch das Ausstellungsvorhaben nahm man unter Druck der internationalen Empörung wieder in den Blick. Beides war zunächst für Herbst 2018 angesetzt, daraus wurde dann nichts. Für die Ausstellung gibt es – nachdem zwischenzeitlich Herbst 2019 avisiert war – eine vage neue Terminierung: Herbst 2020. Das Symposium fand tatsächlich gestern statt.

Ein Dutzend Vorträge wurden dort gehalten, 150 Gäste waren gekommen, darunter Fachleute aus Hamburg, Berlin und Köln, vom Auktionshaus Sotheby’s in London, dem New Yorker Museum Of Modern Art und dem Metropolitan Museum Of Art ebenda. Die Experten aus Kanada hingegen fühlen sich durch die Stadt diskreditiert und wollten sich nicht mehr beteiligen. NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen mahnte zur Zusammenarbeit. „Das schulden wir auch den Verfolgten“, sagte sie.

Wer gekommen war, erfuhr mehr über das Wirken des Galeristen Stern an der Düsseldorfer Königsallee, wo er, nach dem Studium der Kunstgeschichte, ins Geschäft seines Vaters Julius eingestiegen war, bis er es nach dessen Tod 1934 vollständig übernahm. Die Sterns waren in der Stadt gut vernetzt, von mehr als tausend Einträgen in der Kundenkartei ist die Rede. Bei ihnen trafen Kunstakademie-Professoren auf Museumsleute und Galeristenkollegen, sagte Dieter Vorsteher, langjähriger stellvertretender Präsident des Deutschen Historischen Museums in Berlin, den die Stadt Düsseldorf kürzlich als Gast-Kurator für den nächsten Versuch ihrer Stern-Schau präsentierte.

Nach der Machtübernahme der Nazis zog die nationalsozialistische Zeitung „Volksparole“ ins Nachbarhaus der Galerie, und entlang der Kö marschierten Nazis zu Propagandazwecken auf. Über ihre berühmteste Straße versuchten sie Zugriff auf die Stadt zu erhalten, so Hildegard Jakobs von der Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte. 1937 wurden Sterns Galeriebestände schließlich im Kölner Auktionshaus Lempertz verschleudert, er entkam dem Regime, baute sich in Kanada eine neue Existenz auf, konzentrierte sich auf die Arbeit mit dort heimischen Künstlern. Erst als das Art Restitution Project, eine kanadisch-israelische Kooperation, die das Erbe Sterns vertritt, einen Restitutionsanspruch geltend machte, begann vor wenigen Jahren die Aufarbeitung in Düsseldorf, räumte Kulturdezernent Hans-Georg Lohe ein. Es ging dabei um ein Selbstbildnis Wilhelm von Schadows, das die Stadt 2014 denn auch zurückgab. Die Erbengemeinschaft überließ es dem Stadtmuseum anschließend als Dauerleihgabe.

Auch für das Schadow-Werk „Bildnis der Kinder des Künstlers“ erhebt das Art Restitution Project Ansprüche, das Gemälde aber sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ schon vor 1933 nicht mehr im Besitz der Galerie Stern gewesen, sagte Oberbürgermeister Geisel. Dem Vorschlag, den Fall durch die Beratende Kommission des Zentrums für Kulturgutverluste aufrollen zu lassen, kam das Stern-Projekt Geisel zufolge bislang nicht nach.

Im Interview mit unserer Zeitung forderte jüngst Stephan Klinger vom Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte, das mit den Kanadiern zusammenarbeitet, Geisel solle nach Montreal reisen und das Gespräch suchen. Die Wogen glätten. Er habe das vergangenes Jahr versucht, seinerzeit sei keine Bereitschaft dagewesen, sagte Geisel nun. Er mache das „sehr gerne“ wieder.

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