Düsseldorf Symbolfigur der jungen US-Generation

Düsseldorf · Lena Dunham gilt als feministische Stimme der Mittzwanziger. Ihre weltweit erfolgreiche Fernsehserie "Girls" ist das Gegenstück zu "Sex & The City". Nun erscheint ihr erstes Buch: Die frühen Memoiren haben Performance-Charakter.

Diese Memoiren erscheinen weltweit zur gleichen Zeit, und ihre 28 Jahre alte Autorin hat für die 300 Seiten einen Vorschuss von 3,5 Millionen Dollar bekommen. Nun möchte man natürlich wissen: Was ist dran an dieser Frau? Und: Ist das ein gutes Buch?

Die Amerikanerin Lena Dunham wurde vor 2012 als Darstellerin, Autorin und Regisseurin der TV-Serie "Girls" zum Star. Es geht darin um vier Mittzwanzigerinnen aus Brooklyn: die verklemmte Shoshanna, die gefallsüchtige Marnie, die herausfordernde Jesse und die von Dunham gespielte Praktikantin Hannah, die sich als freie Autorin von Auftrag zu Auftrag hangelt. Die Serie wurde für ihren rohen Realismus als Gegenstück zu "Sex & The City" gefeiert, als Bericht über die Großwetterlage der Gegenwart. Dunham zeigt New York nicht als Metropole des Glamours, sondern als Irrgarten, durch den Frauen diffundieren, die mit Kriegsberichten aus dem Irak und Afghanistan aufwuchsen und die von der Wirtschaftskrise um ihre Jobaussichten gebracht wurden.

Großartig ist der Beginn der ersten Staffel. Hannahs Eltern laden sie zum Essen ein, um mitzuteilen, dass sie die Schreibversuche der Tochter nicht mehr finanziell unterstützen. Nicht, weil sie pleite wären, nein: Sie möchten das Geld lieber für sich selbst ausgeben. Hannah entgegnet: "Aber vielleicht bin ich die Stimme meiner Generation." Und als die Eltern die Augenbrauen hochziehen: "Oder zumindest die Stimme einer Generation." Dunham zeigt in den drei Staffeln, dass es mitunter keinen Unterschied zwischen Drama und Leben gibt, dass Selbstverwirklichung zumeist an einem selbst scheitert und vor allem: dass Sex nicht das ist, als das Hollywood ihn beschreibt. Sex ist in "Girls" etwas Mühsames, bisweilen Verstörendes. Er tut weh, im Herzen, aber auch physisch, und Dunham stellt bewusst ihren Körper aus, dessen Proportionen nicht dem Schönheitsideal der Traumfabrik entsprechen. Es geht ihr um die Wahrheit.

Dunham wurde von der "New York Times" mit Bezug auf den Autor des "Fängers im Roggen" als "J.D. Salinger ihrer Generation" gefeiert. Die Schauspielerin Meryl Streep lobte sie für den Dienst an der Öffentlichkeit. Die "Vogue" hob sie auf den Titel. Andere, wie der Schriftsteller Brett Easton Ellis, warfen ihr "over-sharing" vor: Sie übertreibe es mit den Berichten aus dem eigenen Leben. Im Grunde seien sie und ihre Altersgenossen nervtötend, entweder Waschlappen oder Zauderer, jedenfalls das Gegenteil der "Go Getter", als die die Babyboomer galten. Es war also spannend, was die Tochter zweier Künstler, die mit Anfang 20 ihren ersten Kinofilm produzierte und inzwischen von Hollywoods Komödien-Meister Judd Apatow unter seine Fittiche genommen wurde, literarisch vorlegen würde.

Die Textsammlung "Not That Kind Of Girl", die im Untertitel "Was ich im Leben so gelernt habe" heißt, liegt nun vor, und was man zu lesen bekommt, ist eher Talentprobe denn großer Wurf. Die ersten 40 Seiten sind hinreißend: temporeich erzählt, Highspeed-Prosa, desillusionierte Coming-Of-Age-Geschichte und schmerzhafte Erziehung des Herzens. Dunham erzählt das Erwachsenwerden einer Frau namens Lena Dunham, das ist so poetisch wie lustig. Aber dann geht ihr die Puste aus, sie bricht einfach ab. Sie galoppiert durch wechselnde Themenbereiche, legt Fäden aus, ohne sie miteinander zu verknüpfen, füllt die Seiten weitgehend strukturlos mit Tagebucheinträgen, Mails und Zeichnungen. Manchmal ist das komisch, wenn sie etwa die Weisheiten ihres Vaters zitiert: "Gefühle im Suff sind keine echten Gefühle." Oder die der Mutter: "Warum 200 Dollar die Woche für den Therapeuten ausgeben, wenn man 150 Dollar im Jahr für einen Hellseher ausgeben kann?" Aber der Erkenntnisgewinn bleibt überschaubar. Das Buch ist eher Performance als Literatur, eine hypernervöse Kompilation von Textmessages, deren Geplapper über die Seiten rauscht.

Dabei gibt es durchaus brillante Stellen in dem Buch, nämlich jene, in denen Dunham reflektiert und nicht bloß quasselt. Wenn sie ihren Narzissmus gegen den Feminismus austariert. Ältere Männer, die niemanden neben sich dulden und Untergebene ausnutzen, nennt sie "Lichträuber": "Sie nehmen dir viel mehr ab als deinen Tanga auf der Rückbank ihres Lexus. Sie wollen deine Ideen." Dunham spricht darüber, wie ein Mitstudent sie vergewaltigte und sie lange dachte, Sex habe genau so auszusehen. Sie schreibt, dass Sex meistens nicht schön sei, jedenfalls nicht, wenn man jung ist, dass man aber stets von der Sehnsucht gelockt werde, dass es schön werden könne. Ihre Botschaft: "Ich tue es, weil mein Boss es von mir verlangt. Und mein Boss bin ich." Diese Stellen muss man suchen, aber sie sind da, und das ist das Hoffnungsvolle an diesem Buch. In seinem Kern ist es ein Ratgeber, wie man sich von Lebensentwürfen emanzipieren kann, die das Internet und die Magazine vorgeben. Wie man selbstbewusst wird und das Selbstmitleid zurückschlägt. Vielleicht sollte Dunham wie ihr Vorbild, die Autorin und Filmemacherin Nora Ephron, Essays schreiben. Sie sollte die Gedanken ordnen, die richtige Form suchen, aber eben nicht das Häppchen, sondern die reflektierende Erzählung.

Wer eine Stimme hat, auf die andere hören, muss etwas zu sagen haben, wenn er spricht.

(RP)
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