Düsseldorf Streitschriften zur Flüchtlingskrise

Düsseldorf · In seinem Buch "Ins Offene" lässt Jens Spahn Prominente zu Wort kommen.

 Der CDU-Politiker Jens Spahn ist Mitglied des Präsidiums und Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium.

Der CDU-Politiker Jens Spahn ist Mitglied des Präsidiums und Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium.

Foto: dpa

Inmitten der Diskussion über die Anschläge von Paris und die Flüchtlingskrise hat der CDU-Politiker Jens Spahn ein Buch mit 21 Debattenbeiträgen veröffentlicht. Viele politische Glaubenssätze seien aktuell einem regelrechten Realitätsschock ausgesetzt, schreibt Spahn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Mitglied im Präsidium seiner Partei. "Die deutsche Öffentlichkeit ist politisiert wie lange nicht."

Für sein Debattenbuch "Ins Offene" hat Spahn Prominente wie den Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, den früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg, Klaus von Dohnanyi (SPD), oder den IT-Unternehmer Oliver Samwer gewonnen. "Ins Offene" bildet damit eine große Bandbreite des gesellschaftlichen Spektrums ab. Es enthält kluge Beiträge wie den des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler, in dem der Professor der Berliner Humboldt-Universität davor warnt, die vielleicht am meisten unterschätzte Gefährdung der Integration sei die lange Verweildauer der Flüchtlinge in Massenunterkünften, "wo sie psychisch verwahrlosen und sowohl ihr Wille als auch ihre Fähigkeit zur Leistungserbringung schwinden". Multikulti kanzelt Münkler als "gefährliche Nostalgie" und "Form charmanter Schlamperei" ab. Neben solch rationalen Beiträgen enthält das Buch aber auch schrillere Töne - etwa in Beiträgen wie dem von Markus Söder. Genau darin liegt aber die Stärke von "Ins Offene". Dank der extrem widersprüchlichen Thesen bleibt der Leser mündiger Beobachter.

Mitunter wird das richtig unbequem, wenn etwa die Journalistin Sineb El Masrar über diejenigen lästert, "die aus der Bedürftigkeit ein Happening betreiben und über soziale Medien jedes bisschen Hilfe als ultimative Tat der uneigennützigen Großherzigkeit verbreiten". Oder wenn "Bild.de"-Chef Julian Reichelt seine bedrückenden Erlebnisse aus dem Krieg in Syrien schildert. Dabei geben die Autoren sehr unterschiedliche, zum Teil recht konkrete Handlungsanweisungen - etwa die Schaffung eines Integrationsministeriums (Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie), mehr Geld für die Kommunen (Boris Palmer, grüner Bürgermeister von Tübingen) oder die Aufhebung des Leiharbeitsverbots (CDU-Vize Julia Klöckner).

Beklemmend sind in dem Wissen um Paris die Ausführungen des Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Er fordert, die EU müsse ausgestattet mit einem UN-Mandat militärisch handeln: "Um Schleuserboote schon im Hafen zu versenken oder auf See zu beschlagnahmen, um Schutzzonen oder Flugverbote zu errichten, um Isis zu bekämpfen."

Spahns Buch hat nicht den Anspruch, letztgültige Antworten zur Krisenbewältigung zu liefern. Aber es gibt einen sehr guten Debatten-Überblick - und viel wichtiger: einen Anreiz zum Nachdenken.

(maxi)
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