Duisburg "Stifters Dinge" in Duisburg: Applaus für eine Maschine

Duisburg · Spannungsreiche Performance auf der Ruhrtriennale.

In Adalbert Stifters Erzählungen dürfen die Protagonisten nicht wissen, wie sie sich fühlen. Sie dürfen staunend die Dinge ihrer Umwelt betrachten, ohne sie exakt beschreiben oder gar erklären zu können. Heiner Goebbels erreicht mit seiner Musiktheater-Installation "Stifters Dinge", dass sich die Zuschauer fühlen wie Stifters Figuren. Nachdem die Performance fünf Jahre über Festivals getourt war, brachte der Komponist und Regisseur "Stifters Dinge" jetzt mit auf "seine" Ruhrtriennale und zeigte sie in der Duisburger Kraftzentrale. Ein Klavierstück für fünf Klaviere ohne Pianisten, ein Theaterstück ohne Schauspieler, eine Performance ohne Performer – das ist "Stifters Dinge".

Der Zuschauertribüne gegenübergestellt ist ein fremdartiger Apparat, in den vertikal Klaviere und Flügel verbaut sind. Allerhand andere Maschinen erzeugen Töne, dumpfes Pochen, feines Kratzen, lange stehende Klänge. Aus Lautsprechern tönen Stimmen: Eine Passage aus "Die Mappe meines Urgroßvaters", in der die Figuren bei einer Schlittenfahrt durch herabfallende Eiszapfen zur Umkehr gezwungen werden. Ein Interview mit dem Ethnologen Claude Lévi-Strauss, der sich als Einzelgänger beschreibt. Es ist ein raffinierter Kunstgriff, dass sich Goebbels mit einer performativen Installation, bei der eine moderne Theatermaschinerie sich selbst überlassen ist, auf Stifter bezieht. Der große österreichische Schriftsteller des 19. Jahrhunderts hat die Dinge der Natur staunend betrachtet, dadurch die Position des Menschen im Weltengefüge als unsicher beschrieben. In "Stifters Dinge" sind sogar die Äste künstlich, alle Kabel, Zahnrädchen, Motoren, Hydrauliken und Steuerungselemente der Maschinen liegen offen. Trotzdem staunt der Zuschauer und ist empfänglich für die Illusion. Es regnet. Am Klavier ertönt Bach. Am Ende weiß das Publikum nicht, ob es Applaus für eine Maschine spenden soll. Goebbels wird das gefreut haben. Es ist ihm gelungen, Theaterkonventionen zu brechen, hinaus auf unsicheres Terrain zu führen und damit tief zu berühren.

(RP)
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