Begegnung mit dem Hollywood-Star Lebenshilfe von John Malkovich
In seinem neuen Film spielt der 69-Jährige den römischen Philosophen Seneca. Eine Begegnung mit Halstabletten und Grandezza in Berlin.
John Malkovich sitzt auf dem Sofa einer Suite im Berliner Hotel „The Mandala“ und lächelt sardonisch. Der 69-Jährige trägt Farben, die man nur mit viel Grandezza in eine Einheit zu bringen vermag. Roter Pulli zu gestreifter grüner Krawatte unter hellgrauem Sakko. Neben ihm liegt ein schmaler schwarzer Rucksack, nach dem er mit der rechten Hand immer wieder tastet. Als man sich gerade fragt, was da wohl Wichtiges drin ist, kramt Malkovich giftgrüne Tabletten hervor: Oh, der Hollywood-Star hat Halsweh!
John Malkovich ist in der Hauptstadt, um seinen neuen Film „Seneca“ vorzustellen. Unter der Regie von Robert Schwentke spielt er den Philosophen und Erzieher Kaiser Neros. Trotz weiterer Stars wie Geraldine Chaplin und Julian Sands ist die Produktion auf Malkovich zugeschnitten. Sein Stoiker ist jemand, der Genügsamkeit predigt, aber im Luxus lebt. Er steht nicht auf gegen die Grausamkeiten Neros, sondern richtet sich ein in dessen Nähe. Und um das schlechte Gewissen zu beruhigen, redet er und redet. Es ist ein Lebenslügen-Dauerfeuer, das dieser Seneca aufs Publikum loslässt. Als Nero ihm das Todesurteil zustellt, versucht er labernd dem Unausweichlichen zu entkommen. Damit es schneller geht, ritzt sich Seneca zwar die Adern auf. Aber es fließt kein Blut, da strömen nur Worte aus ihm heraus. In der Presse-Vorführung rief jemand: „Stirb endlich!“
Der Film funktioniert, Malkovich ist virtuos, und das liegt an seiner Art zu sprechen. Nur: Wie kann man sich solche Textmassen merken? Er habe da keinen Trick, sagt Malkovich. Manchmal brauche er nur ein paar Stunden für einen Text, aber dann vergesse er ihn nach den Dreharbeiten wieder. Andere Texte blieben über Jahrzehnte in seinem Kopf. Malkovich spricht langsam, ein bisschen spöttisch, und manchmal weiß man nicht, ob er schon fertig geantwortet hat oder noch nachdenkt.
Der Schauspieler Malkovich hat ja ein Faible für die Irren und Boshaften. „Gefährliche Liebschaften“ und „Der Unhold“ sind von seinen vielen Filmen die vielleicht eindringlichsten. „Seneca“ ist nun im Grunde filmisches Theater, manche dürften sich an Inszenierungen der Volksbühne erinnert fühlen, Auftritte von Volksbühnen-Schauspielerinnen wie Lilith Stangenberg inklusive. Malkovich ist ein Liebhaber des europäischen Kinos, des deutschen zumal. Er schwärmt von „Volker“ (Schlöndorff), den er zu Beginn der 1980er-Jahre kennenlernte, als der Regisseur in New York lebte. Er schwärmt von „Wim“ (Wenders), „Michael“ (Ballhaus) und „Werner“ (Herzog). Mit dem in Stuttgart geborenen Robert Schwentke drehte er bereits den Agenten-Film „R.E.D.“.
Vor Malkovich steht englischer Breakfast Tea in weißem Porzellan. Er rührt ihn allerdings nicht an, er rührt sich überhaupt sehr wenig, er ruht in sich. Seneca sei ein Lebenscoach gewesen, sagt er, und das sei ja gerade heute etwas sehr Aktuelles. Dann hebt er an zu einer Suada gegen die sozialen Netzwerke. Kurzfassung: Malkovich hasst sie, weil die Menschen dort erst sprechen und danach denken würden. Er lebe lieber in der wirklichen Welt.
Gegen Ende des Gesprächs meint man ihm seine Erkältung anzumerken. Er hüstelt leicht. Aber, bitte, eine Frage noch: Wenn er heute einen jungen Herrscher erziehen müsste, was würde er ihm raten? Malkovich antwortet mit Tablette im Mund. Als er auf einer Schulveranstaltung seines Sohnes gebeten worden sei, eine Rede zu halten, habe er den jungen Menschen zu verstehen gegeben, dass es ihnen darum zu gehen habe, von wem sie künftig ihre Informationen beziehen. „Was man damit macht, ist jedem selbst überlassen. Aber man muss sicherstellen, dass die Informationen stimmen.“