Bonn Sehr britisch: Victoria and Albert Museum in Bonn

Bonn · Die Patrone des Londoner "Victoria and Albert Museum" heißen die Besucher der Ausstellung "Art and Design for All" gleich im Foyer der Schau willkommen. Von je einem großformatigen Portrait des deutschen Malers Franz Xaver Winterhalter herab – in beiden Fällen handelt es sich um Leihgaben aus der Sammlung der britischen Königin – scheinen sie die Schätze zu bewachen, die im Laufe von 150 Jahren in ihrem Namen zusammengetragen wurden, jährlich 2,7 Millionen Besucher begeistern und in einer Auswahl jetzt in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen sind: kunsthandwerkliche Kostbarkeiten vor einem bedeutenden kulturhistorischen Hintergrund.

1857 eröffneten Königin Victoria und Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha das South Kensington Museum, den Vorläufer des Victoria and Albert Museum, um die gewerblichen Künste zu fördern. Albert hatte bei seinem Studium in Deutschland das ganzheitliche Bildungsideal Wilhelm von Humboldts kennengelernt und daraus seine Vision von einem Zentrum für Museen, Forschung und Kultureinrichtungen in London abgeleitet. Das Victoria and Albert Museum wurde dann aber doch keine reine Bildungseinrichtung, sondern es verfolgte auch handfeste wirtschaftliche Ziele. Den Briten führte es "vorbildliche" Gestaltungen vor, auf dass Fabrikanten ihre Produkte durch mustergültige Formen auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig machten.

Wer jetzt in der Bonner Ausstellung aus zeitlicher Distanz erkundet, was dabei herausgekommen ist, muss mehr als nur einmal schmunzeln. Erst spät nämlich entwickelten die Briten ihre Formen aus der Gegenwart. Zunächst nahmen sie sich Mittelalter und Renaissance zum Vorbild. So wimmelt es in der Schau von Kerzenleuchtern und Kelchen, Krügen und Kaffeekannen, Schatullen, Schränken und Keramikreliefs. Das sieht alles edel aus, wirkt aber zugleich etwas gestrig, wenn man bedenkt, dass es erst im 19. Jahrhundert erschaffen wurde. Mit der Arts-and-Crafts-Bewegung setzten die Briten dann eigene Maßstäbe. Einfachheit und hochwertige Materialien sollten nun das nationale Design auszeichnen. Das zog sich quer durch die Genres, vom Möbel bis zum silbernen Toastständer. Auch öffnete sich Großbritannien ästhetischen Einflüssen aus Japan, China, Indien und dem Islam.

Wer angesichts des Ausstellungstitels "Art and Design for All" auch eine ausgedehnte Gegenwartsabteilung erwartet, erlebt eine Enttäuschung. Ein Wand-CD-Player, ein Ventilator, ein Lüster mit LED-Leuchten – das war's schon fast. Und auch die Mode, für die das "Victoria and Albert" berühmt ist, wagt sich in der Schau nur zaghaft hervor. Das Viktorianische Zeitalter aber kommt ganz groß heraus.

Info Bis 15. April in der Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn; Di./Mi. 10–21, Do.–So. 10–19 Uhr; Eintritt: neun Euro, ermäßigt sechs Euro

(RP)
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