Essen Schrecken der Pubertät im Schauspiel Essen

Essen · Holger soll zum Psychologen. Dabei ist es doch gar nicht er, der verrückt ist, sondern alle anderen: Mama und Papa, die er Verena und Gerhard nennt, und Hanna, seine große Schulhofliebe. In Jan Demuths "Holger, Hanna und der ganze kranke Rest", das jetzt am Schauspiel Essen Deutsche Erstaufführung feierte, macht Holger das Publikum zum Psychologen.

Dass dabei nicht wirklich psychologische Tiefen ausgelotet werden, verzeiht man dem Stück gern. Weil es immer wieder zum Lachen bringt und sich unter seiner grotesken Überzeichnung doch viel Wahrheit verbirgt. Es erzählt von einem besonders aktuellen Schrecken der Pubertät: Wenn die Sprösslinge erkennen müssen, dass ihre Eltern nie aus der Pubertät herausgekommen sind, sich genauso unsicher und unstet durchs Leben bewegen wie sie selbst. Holgers Eltern trennen sich und benehmen sich auf einmal wieder wie Teenager: Mutter Verena gerät auf den Esoterik-Trip und Vater Gerhard wird zum Nebenbuhler um die 19-jährige Hanna.

Henner Kallmeyer nutzt für seine Inszenierung das Konzept erfolgreicher Fernsehserien wie "Meine Leben & ich" oder "Scrubs": Der Hauptdarsteller ist absolute Identifikationsfigur, spricht den Zuschauer direkt an. Der Witz erwächst aus der Tücke des Objekts oder, wenn die Realität von skurrilen Tagträumen überlagert wird. Dann besiegt Holger Gerhard beim Kampf mit dem Laserschwert und der am Boden liegende schreit: "Holger, ich bin dein Vater!"

"Holger, Hanna und der ganze kranke Rest" eignet sich als Jugendstück, aber es ist mehr als das. Es hält einer bürgerlichen Mittelschicht den Spiegel vor, die nicht erwachsen werden will oder kann. Einer 68er-Nachfolgegeneration, die ein Augenmerk auf persönliche Verwicklungen legt und auf der Suche nach dem Seelenheil in der ständigen Identitätskrise lebt.

(RP)
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